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Bekannt dank Scorsese

Von den einen gehasst, weil der Regisseur sich zum Kommerz bekannt hatte, von den anderen für seine kritische Auseinandersetzung mit der Filmindustrie bemisstraut: „Peeping Tom“ in der B-Movie-Reihe „Obsession Fotograf“

Fast auf den Tag genau vor dreizehn Jahren, am 19. Februar 1990, starb 85-jährig Michael Powell. Den meisten dürfte er als Regisseur von Peeping Tom in Erinnerung sein. Der konsequent mit subjektiver Kamera aufgenommene Film über einen Serienmörder, der seine Opfer mit einer Vorrichtung an seinem Stativ tötet und zugleich dabei filmt, beendete 1960 schlagartig Powells Karriere. Auch Hauptdarsteller Karlheinz Böhm, der mit der Rolle sein Sissi-Image abzustreifen hoffte, wollte anschließend kaum noch jemand für einen Film unter Vertrag nehmen. Erst Fassbinder holte ihn später aus der Versenkung.

Es gibt Stimmen, die behaupten, die britischen Kritiker, die den Film wegen seiner einfühlsamen Haltung dem Mörder gegenüber mit Hasstiraden bedachten, hätten Powells Kino schon zuvor feindlich gegenüber gestanden. Dahinter, dass sie ihn als billigen und kranken Regisseur beschimpften, dürfte tatsächlich mehr gestanden haben als bloßer Moralismus. Mit seinem Kollegen Emeric Pressburger stand Powell für das farbenprächtige britische Ausstattungskino der Nachkriegszeit. Zusammen hatten die beiden die Produktionsfirma The Archers gegründet, deren Markenzeichen ein schwirrender Pfeil war, der auf einer Zielscheibe ins Schwarze trifft. In ihr fand der brüllende MGM-Löwe sein britisches Pendant. Und standen die einen Kritiker Powells Maxime „Kino ist Kunst und Kommerz“ schon länger misstrauisch gegenüber, war anderen die selbstkritische Auseinandersetzung mit der Filmindustrie im Ganzen ein Dorn im Auge, als die sie Peeping Tom, nicht zu Unrecht, verstanden hatten.

Peeping Tom schwelgt nicht in Farben. Einzig wenige pointiert eingesetzte Farbtupfer brechen die blassen Bilder auf, etwas Knallrot markiert wiederkehrend Gefahr für die potenziellen weiblichen Opfer. Ein reißerischer Film ist Peeping Tom nicht, auch nicht zu seiner Zeit, ein Jahr, bevor Alfred Hitchcock mit Psycho die subjektive Kameraführung in Zusammenhang mit einem Mörder noch konsequenter anwendet. Aber es gibt an ihm heute noch einiges zu entdecken. Etwa die Liebe Powells zum Kino der Stummfilmzeit. Die Filmaufnahmen der Morde, die sich der Kameraassistent Marc nach vollbrachter Tat wieder und wieder zu Hause ansieht, sind durchweg in Schwarz-Weiß gehalten. Starke Hell-Dunkel-Kontraste, harte Schatten und die Klänge eines Stummfilmpianos ergeben zusammen mit einer oft an Peter Lorre erinnernden Performance Böhms schon fast eine Hommage an Fritz Langs M.

Dieselben Kritiker, die den Film und seinen Regisseur in den 60er Jahren verdammten, lobten bereits wenige Jahre später Peeping Tom als Meilenstein der Filmgeschichte. Seinen heutigen Ruhm aber verdankt der Film nicht unwesentlich Martin Scorsese, der – zeit seines Lebens bekennender Powell-Fan – in den 70ern nicht müde wurde, den Film auf Festivals zur Wiederaufführung zu bringen. Das B-Movie zeigt den Film in seiner Reihe „Obsession Fotograf“.

Christiane Müller-Lobeck

Do, Sa + So, 20.30 Uhr, Sa auch 22.30 Uhr, B-Movie

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