geläufig Oft sterbensmüde

„Ich sage Ihnen, dass ich es oft sterbensmüde bin, das Menschliche darzustellen, ohne am Menschlichen teilzuhaben …“ Diesen Satz schrieb Thomas Mann in seiner Novelle „Tonio Kröger“. Rainer Werner „Schlafen kann ich schließlich, wenn ich tot bin“ Fassbinder (Foto) verwandte diesen Satz in seinem Film „Warnung vor einer heiligen Nutte“, der heute bei der Fassbinder-Reihe im Podewil läuft. In dem Film geht es um ein Filmteam, das anfangs auf seinen Regisseur wartet, dann mit dem Regisseur kämpft und ihn schließlich zusammenschlägt. Fassbinder, der ja als sehr herrisch und durchaus auch als brutal galt, hat sich in diesem Film selbst porträtiert – und spielt darin zugleich ein Mitglied des Filmteams, das unter dem Regisseur leidet. „Die positive Entwicklung, die mein Regisseur durchläuft, besteht darin, dass ihm klar wird, dass die Gruppe keine Gruppe ist und er den Traum des Kollektivs aufgibt“, sagte Fassbinder selbst zu dem Werk. Um die Handlung herum ist alles, wie wir es lieben: Ingrid Caven und Hanna Schygulla sind geheimnisvoll, unnahbar und schön, Harry Baer, Ulli Lommel und Lou Castel sind Burschen mit Herz, Kurt Raab ist Kurt Raab, und der große Eddie Constantine spielt sich selbst. Wenn man heute diesen Film (und den Vorfilm „Das kleine Chaos“, ebenfalls von Fassbinder) aus dem Jahr 1970 noch einmal sieht – der im Übrigen nur wenig Patina angesetzt hat – fragt man sich schon, warum es um den deutschen Film eigentlich so schlecht steht. Und diese Frage wurde auch auf dieser Berlinale nicht wirklich beantwortet. SUN

Podewil, 21 Uhr