Sing den George W. Bush

Von der Schnapsidee zum Antikriegsvideo: Peter Lohmeyer, Ulrich Tukur und viele andere haben einen Clip zu „Bagdad Blues“ gedreht – Uraufführung heute bei „3 nach 9“ (22.00 Uhr, NDR)

aus Hamburg JAN FREITAG

Ein Schimmel am Rande der Schlachtbank. Eigentlich nichts Besonderes. Es sei denn, auf dem Pferd sitzt George W. Bush und reitet durchs Hamburger Karoviertel, in dessen Herz Tiere seit jeher zu Wurst verarbeitet werden. Menschen jubeln ihm zu, Kinder laufen hinterher, Familien winken, Cheerleader tanzen – das volle Programm eben, wenn US-Präsidenten den alten Kontinent besuchen.

„Hey, Cowboy, nimm mich mit!“, ruft ein junger Mann beim Betanken seines tarnfarbenen Mercedes. „Na, Herr Präsident, noch eine Brezel“, fragt wenige Hufschritte weiter ein Mann, dessen Gesicht irgendwie geläufig erscheint. – So wie auch die Züge des Staatschefs: Denn dieser George Bush ist Peter Lohmeyer, der Filmschauspieler. An diesem eiskalten Februartag ist es jedoch vor allem der Kriegsgegner Lohmeyer, denn die Szenerie im Video zum Antikriegslied „Bagdad Blues“ zeigt bald, dass der reitende Mr. President den Leuten nichts als Unglück bringt. Also ruft Lohmeyer in feinstem Ruhrpottslang ein beherztes „Verzieh dich auf die hinterste Ranch in Texas!“ über den Teich, während die Appaluser-Stute in der Drehpause fast wie geplant aufs Pflaster äppelt.

Dem Herrn im Oval Office zeigen, dass es „schon genug dumme weiße Männer in unbedeutenderen Positionen“ gibt – das möchte Lohmeyer mit dem Clip zum Song aus der Feder von Fink-Sänger Nils Koppruch. Dafür dreht er mit feinster Besetzung: Ulrich Tukur am Akkordeon, Hannes Hellmann an den Brezeln, Martin Langer an der Kamera – große Namen aus Film und Fernsehen. – Es hätten noch mehr sein können. „Wir mussten vielen absagen“, sagt Regisseur Arne Feldhusen.

Dabei bekommen die mehr als 40 Leute am Set für ihr zweitägiges Engagement bei minus sieben Grad keinen Cent. Produktionsfirmen stellen das Equipment gratis zur Verfügung, nur für Benzin und Nebenkosten werden noch Sponsoren gesucht. Sämtliche Verkaufserlöse aus CD wie Clip gehen an die Hilfsorganisation Medico International.

Und alle machen mit. Weil sie Bushs Krieg nicht wollen, weil, wie Peter Lohmeyer es ausdrückt, „jeder auf seine Art etwas zum Protest beitragen möchte“. Ob Musikvideos, Riesendemos oder blinkende Hochhäuser, wie sie der Hamburger Friedensaktivist Holger Güssefeld durch kollektives An- und Ausschalten der Lichtschalter plant – kleine Schritte zum großen Ziel.

Immerhin gibt es das Stück heute zur Single-Präsentation live in der NDR-Talkshow „3 nach 9“. Und die Prominenz der Crew wird den Sänger schon noch in weitere Gesprächsrunden führen. Der Spot soll bundesweit in die Kinos, auch der „Jugendfürdenfriedensender“ Viva wird kaum darum herumkommen. Dafür rührt Peter Lohmeyer seit dem 9. Januar die Werbetrommel. Jenem Abend, als er auf einem Hank-Williams-Gedächtnis- Konzert erstmals vor Publikum sang. Eine Schnapsidee nennt er es heute, wie Urheber vermeintlich großer Taten ihre Initiationsriten eben gern nennen.

Herausgekommen ist dabei ein schlüssiger Clip in Rekordzeit. Nichts Großartiges, ein wenig Truck Stop, ein lässig näselnder Lohmeyer, ein putziger Text, ein Profi-Video mit B-Movie-Attitüde, aber immerhin ein klanglicher Aufstand gegen die Stupid White Men aus Washington.