Zombies in Ohlsdorf

Mit Inbrunst sagen, was schön wäre: Die „Future Music Picture Show“ „Hamburg Requiem“ zelebriert den Untergang und die Wiederauferstehung der Stadt

Dass der Hamburger Musiker und Komponist Jan Dvorak und der Berliner Regisseur Thomas Fiedler sich als Duo „Kommando Himmelfahrt“ nennen, hat zum einen sicher mit den riskanten Unternehmungen zwischen zeitgenössischer Musik, Theater und Installation zu tun, deren Konturen auszumachen sich die beiden aufgemacht haben. Auch die Themen, an denen sich das Kommando abarbeitet – Tod, Religion, Raumfahrt –, dürften ihren Anteil am Sinn haben. Vor allem aber geht es tatsächlich um eine Himmelfahrt im Sinne eines one way ticket: um die Arbeit an positiven Utopien.

Der neuste Streich des Duos, die „Future Music Picture Show“ „Hamburg Requiem“ reißt aber ab morgen auf Kampnagel zunächst einmal das Firmament ein und lässt die Stadt, die so gern Weltstadt sein möchte, in einem lauten, blendenden multimedialen Getose untergehen. Innerhalb weniger Tage steigt die Temperatur, die Elbe beginnt beinahe zu kochen. Panik in der Bevölkerung, Unruhen in den Stadtteilen. Wie ein giftiger Pilz wölbt sich die Stadt, in der City stehen die Cafés in Brand. Die Schanze: tot und leer. Pöseldorf: geplündert. Und in Ohlsdorf haben sich die Toten erhoben und laufen als Zombies durch die Straßen.

Die Totenmesse für die untergehende Stadt, eine düstere Mischung aus inszeniertem Konzert, Oratorium und Installation mit rasanten Beats, heulenden Gitarren und klagenden Chören, wird von zwei Solisten, der Sängerin und Schauspielerin Julia Hummer und dem Ex-„Selig“-Sänger und Rio-Reiser-Interpreten Jan Plewka, sowie einem Ensemble aus der Harburger Kantorei, dem Kammerchor Altona, dem Posaunenchor der Kreuzkirche Ottensen, der Band „Ten ta to“ und dem Neue-Musik-Ensemble „trio sonar“ gehalten. Jan Dvoraks Musik, mit der der Untergang besungen wird, ist ein Monument aus verschiedenen Schichten, irgendwo zwischen Artrock, „ABBA“, James Last, Hans Werner Henze – und natürlich Johann Sebastian Bach. Für den Komponisten, der letztes Jahr gemeinsam mit Jan Feddersen als künstlerischer Leiter des Festivals „klub katarakt“ mit dem renommierten Bachpreis-Stipendium ausgezeichnet wurde, bis heute das Maß aller Dinge.

Inszeniert hat die Suche nach den großen Fragen der letzten Menschen Himmelfahrtskommando-Kollege Fiedler, das Bühnenbild aus neuen Ansichten einer untergehenden Stadt stammt vom niederländischen Fotografen Wil van Iersel, durch Langzeitprojekte über dokumentarische und journalistische Bildsprachen in der Bebilderung von Katastrophen bewandert.

Am Ende der Katharsis erwartet die ZeugInnen des Untergangs alles Lasterhaften dann ein Ausblick auf die Auferstehung. Welthauptstadt ist Hamburg da geworden, in der neu geborene Menschen ein ewiges Leben der Liebe verbringen. Um Zynismus oder Ironie geht es hier nicht. Sondern um ein Himmelfahrtskommando: umgeben von all der postmodernen Ironie mit Inbrunst und einer gewissen Naivität zu sagen, was schön wäre.ROBERT MATTHIES

Premiere am 24. 10., 20 Uhr; bis So, 26. 10. je 20 Uhr sowie Do, 18. 12. und Fr, 19. 12., Kampnagel, Jarrestraße 20; www.kampnagel.de