Ein Leben unter der Sonne

Sepp Fiedler ist Erfinder. Für alles, was sich mit Solarenergie betreiben lässt. Den sprechenden Mülleimer, der ab Frühjahr Passanten beglücken soll. Oder ein „Solar-Café“. Den Titel hat er sich schützen lassen. Zum Ärger anderer Solarpioniere

VON LIA PETRIDIS

Sepp Fiedler enttäuscht Erwartungen. Der Solarerfinder fliegt. Hin und wieder. Er isst Fleisch. Und Müsli. Er fährt Mietbullis und Fahrrad. Sein Büro dämmert nicht im Lichte von Energiesparbirnen, sondern grelle Halogenleuchten machen es hell. Na ja, dann aber wenigstens ein Niedrigenergiehaus? Nö. Auch kein Niedrigenergiehaus. Aber eine luftig isolierte Altbau-WG direkt über Kreuzbergs Kneipe Madonna.

Wer ist Sepp Fiedler? Lebensstilschöpfer, kein Bayer, Sonnenfreak, Freund einer Stewardess, ökologischer Non-Dogmatiker – und Tantiemeneintreiber. Den Namen „Solar-Café“, für solarbetriebene Räume für Kommunikation und Genuss, hat er 1992 erfunden und lässt Gesinnungsgenossen mit ähnlichen Ideen und gleichem Titel zahlen.

Sein Solar-Lebensansatz ist jedoch viel versprechend und wird auch in Berlin hinreichend gewürdigt. 1995 erhielt Fiedler für seinen „Solar Coffee Shop“, die mobile sonnige Saftbar, den Umweltpreis der Stadt. Das Motto „Energie sparen lustvoll umsetzen“, wie das beispielsweise die Anhänger der Slow Food Gruppe leben, sagt ihm zu. Lust ist der Katalysator seines Lebens.

Wenn er die naturtrübe Apfelschorle zusammengießt oder mit den Worten „abschalten, ausspannen und mieten“ das Ökowerk in Brandenburg beschreibt. Da mischt er auch mit. Hier will er aus „Verbrauchern wieder Menschen machen“. Er ist der Schöpfer eines Lebensstils, der, wenn er erst mal unter die Menschen gemengt ist, allen gut tun wird, so der Kreateur.

Solarenergie und Entbehrungen sind nicht neu. Solarenergie als Ars Vivendi hingegen und gleichzeitige sanfte Umerziehung sind bei Fiedler ganz oben auf der Agenda angesiedelt. Vermitteln will er die nicht durch Fachsimpeln über Biomasse und Kraft-Wärme-Kopplung oder gar Parolen wie „Ihr sollt den Atomstrom verdammen“. Stattdessen heißt es bei ihm: „Tuchfühlung mit dem Solarzeitalter bei Kaffee und Kuchen im Solar Coffee Shop“.

Und sinnlich ist das auch noch. Klaro. Sogar „konkret und sinnlich“, wie Fiedler betont. Denn mit Hilfe des mobilen Coffee Shops, der im Sommer überall in Berlin aufgebaut werden kann, weil energetisch autark, sollen die herumstreunenden Berliner erfahren, wie toll das ist, ohne Atomstrom zu leben. „Es gibt Tee, Kaffee und Drinks, die hart an der Betäubungsmittelgrenze entlangfahren auf biologischer Basis“, verspricht er. „Bewusst leben“, nennt er das.

Und wann ging das los? „Ich hatte mal eine Zeit lang Löcher in meinen Klamotten. Von den Chemikalien, mit denen ich als Azubi bei Bayer Leverkusen Tag für Tag hantiert habe.“ Da schließe sich „für einen normalen Menschen“ wie ihn die Umorientierung direkt an. 01 28 714. Das war seine Nummer bei Bayer. Die lernte er, da war er 15. „Dieses Unternehmen ist total irre. Damals gab’s da das Bayer-Orchester. Du konntest Japanisch lernen, ne Bäckerlehre machen oder Tierpfleger werden. Ach ja, ’n Bayer Kaufhaus gab’s auch noch“, erinnert sich der Sonnenanbeter.

Nummeriert, ideologisiert rabottet Fiedler in den 70ern in der Umweltabteilung des Konzerns. Die Bemessung von Stickoxiden habe damals so funktioniert, weiß Fiedler: Im angemessenen Abstand zur Autobahn und zum Bayer-Werk die Sonde in die Luft halten und den Ausstoß dann als „geringfügig“ deklarieren. Berührungsängste mit Unternehmen von der „einen Seite“ hat er aber nicht: „Ich hab da mal so ne Multivisionsgeschichte für RWE und das Atomkraftwerk Biblis gemacht. Danach musste ich sicherstellen, dass ich jetzt mal auf der anderen Seite was für die Kommunikation tue.“

Daher ist nun der Plausch unterm Grasdach bei Biobrause für die Berliner geplant. Am Gleisdreieck soll ein „Solar Café“ entstehen. Solche Treffpunkte gibt es mittlerweile von San Francisco bis Tokio, so Fiedler, nur in Berlin steht noch keins.

Der Erfinder hat sich früh genug den Namen schützen lassen und ist da durchaus streitbar. In Freiburg/Kirchzarten steht bereits eine der Solaroasen. Und mit dem Namen Sepp Fiedler verbindet Architekt Roland Rombach alles andere als Sonnenschein. „Leider ja“, antwortet er auf die Frage, ob er Sepp Fiedler kenne. „Der hat mir mal viel Geld abgezockt.“

1999 stellte Rombach sein „Solar Café“ fertig. Fiedler meinte dann ein Jahr später, dass das Café nicht so heißen dürfe, und forderte 15.000 Mark. Die bekam er nicht. Man einigte sich über den Anwalt auf 5.000 Mark. „Wenn einer was Ökologisches, Sinnvolles tut, kommt er daher und sahnt ab“, befindet Rombach desillusioniert. Für Fiedler jedoch ist das eine „völlig normale Sache“. Er habe die Publicity-Arbeit geleistet und könne nun auch für den geschützten Namen Geld fordern.

Von öffentlichkeitswirksamen Erfindungen versteht der Tüftler eine Menge. Sein neuester Clou: der sprechende Mülleimer. Ab dem kommenden Frühling soll er in Berlins Straßen stehen. Solarbetrieben, labert er unaufgefordert bei Tag und leuchtet bei Nacht. Was soll das? „Man muss nur wirklich blöde Sachen erfinden, dann bekommt man sofort Resonanz“, sagt Fiedler. Einerseits. Bemerkt dann aber gleich im Anschluss, dass auch so ein Sonnenenergie-Müllschlucker den Fokus der Leute auf die regenerativen Energien lenken soll.

Und wo bleibt die radikale Vision für Deutschland, die Zwangskollektorvierung der Dächer? Die will er gar nicht. „Meistens sind Dinge, die man selbst überschauen kann, auch am wenigsten schädlich für andere.“ Nur wenn einer mal nicht durchblickt, dass er einen rechtlich geschützten Namen verwendet, sieht das Ganze schon anders aus.