vorahnung kommender ohrenpein von WIGLAF DROSTE
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Der Schlagergrandprix 2004 wirft seine schlammigen Schatten voraus. Menschen, die sich, ohne zu protestieren, als „Schlager“- und „Schlagergrandprix-Experten“ titulieren lassen, reiben sich in Vorfreude eine Beule in die Buxe: wie man sich wieder wird wichtig machen und aufspielen können mit einer Ausdrucksform, gegen die Karnevalsdarbietungen, Kunstfurzwettbewerbe oder die Ruckelweltmeisterschaften in den lateinamerikanischen Tänzen vergleichsweise würdevolle Angelegenheiten sind. Georg Uecker, Thomas Hermanns und andere ohrentote Freunde des geriebenen Schmachtlappentums liegen erneut in den Startlöchern, und tatsächlich hätten sie kein Recht, gegen die Invektive „Schlager“- und „Schlagergrandprix-Experte“ zu meutern: Dieses Grinsegrauen ist nachweislich das Einzige, wovon sie etwas wissen.

Das allein wäre keine Zeile wert; es werden aber mit der durchs Land gepeitschten Schlagergrandprix-Hysterie auch Menschen behelligt, deren Köpfe und Ohren intakt sind. Selbst Medien, denen wenigstens dann und wann ein Hauch von Restklarheit unterstellt werden kann, beteiligen sich am Auftrieb des Abgeschmacks. Dann ist die Rede von „Trash“, das Pillepalle-Wort „Kult-Faktor“ macht die Runde, und sogar die gute alte Selbstironie soll herhalten für das lausige Vergnügen daran, sich im Erbrochensten zu wälzen, das die Grausamkeit gegen das menschliche Ohr je hervorbrachte: den Schlager und den Schlagergrandprix.

Wie kann man das Zeug exakt benennen, das diesem aufgetakelten Genre entquillt? Musik ist es jedenfalls nicht, das kann man hören. „Unterhaltung für Junge und Junggebliebene“ wird es im Fernsehen genannt und ist also das Gegenteil von Unterhaltung. Es ist Musikanten- und Denunziantenstadel in jünger – es sieht ein bisschen flotter aus, aber der erbärmlich konformistische Kern ist identisch. Es ist Einübung und Selbstbestätigung für alle, denen das Mitmachen ein zwanghaftes Bedürfnis ist. Haben sie die Hürde des ästhetischen Widerwillens einmal genommen, ist alles ganz leicht. Auch fröhliche SA-Feiern können mit diesem Sound problemlos bewummert werden.

Wenn Schlager- und Schlagergrandprix-Experten von akustisch Empfindungsfähigen darüber informiert werden, was sie fanatisch propagieren, werden sie so harthörig böse, wie sie permanent auf dufte machen. Längst haben sie ihr Mainstreamdasein im allgemeinen Flachsinn versenkt und wollen keinen vernünftigen Einwand anhören gegen das Getümel und Getümmel mit Herz und Herzilein. Wo alle mit dabei sind, so der Kern ihrer Massenpsychologie, habe Kritik zu verstummen. Schließlich kann man egalweg alles voll metern mit dem Schlagerkrempel; was Hartmut Mehdorns PR-Medium DB mobil recht ist, das ist Kurt Scheels Merkur nicht minder billig – jener Gesinnungszeitschrift, die sich „für deutsches und europäisches Denken“ zuständig fühlt und ein Auffang- und Durchgangslager geworden ist für wohlfeile Zeitungsschreiber auf dem Weg zu Welt und Bunte. Auch der Merkur hält Zeilen frei für Schlagerheiopeis. Und das alles nur, weil taube Nüsse es nicht ertragen, mit sich allein zu sein.