Berliner Betttuch – in Polen gewaschen

Nicht nur öffentliche, sondern auch ausländische Dienstleistungen sollen jetzt liberalisiert werden

BERLIN taz ■ In rund 50 Bereichen bietet die EU den anderen Mitgliedern der Welthandelsorganisation (WTO) an, Dienstleistungen zu liberalisieren. Dazu gehören u. a. Finanzdienstleistungen, Krankenpflege und Tourismus. Im Fachjargon spricht man von „vertikaler Liberalisierung“.

Hinzu kommt die „horizontale Liberalisierung“:

– Grenzüberschreitend, wenn etwa die Wäsche eines Berliner Hotels in Polen gewaschen wird.

– Als Dienstleistung im Ausland, das heißt, dass der Friseurbesuch in Tschechien nun legal auf WTO-Ebene verankert wird.

– Als Niederlassung einer ausländischen Tochtergesellschaft im Inland oder

– als Entsendung von „Gastarbeitern“, die zu einer Tochter-Niederlassung gehören oder im Rahmen eines Werkvertrags über höchstens sechs Monate.

Besonders umstritten ist der Bereich Bildung. Die EU liberalisiert Dienstleistungen in allen Schulen und in der Erwachsenenbildung. Zwar war diese Liberalisierung bereits in der ersten Version des Gats-Vertrags von 1995 vorgesehen – und bisher deutet nichts darauf hin, dass Deutschland bald von amerikanischen Privatschulen überschwemmt wird. Doch fürchtet zum Beispiel Attac, dass „zusammen mit dem herrschenden innenpolitischen Klima, in dem mehr Wettbewerb zwischen Hochschulen gefordert wird, sich der Druck verstärkt“, so Mitglied David Hachfeld. Aufgrund der im Gats festgelegten Gleichbehandlung hätten private Schulen das gleiche Recht auf Subventionen wie staatliche. Weil die EU diese Angst kennt, hat sie sich eine Ausnahmeklausel ausbedungen. Die Staaten können ihre Subventionen weiterhin dann nach eigenem Gutdünken vergeben, wenn es sich um Bereiche des „öffentlichen Nutzens handelt“ – so die vage Formulierung.

Ähnlich wie Attac argumentiert der Deutsche Kulturrat für den Bereich Kultur: Opern und Theater werden über Subventionen finanziert und unterliegen keiner ausländischen Konkurrenz. Mit Gats, so fürchtet der Rat, könnte sich das ändern – ausländische Anbieter würden vom deutschen Staat subventioniert. „Kultur ist ein soziales Element in den Kommunen“, sagt Geschäftsführer Olaf Zimmermann. „Für die WTO aber wäre eine Oper, deren Träger eine Stiftung des öffentlichen Rechts ist, ein Unternehmen wie jedes andere.“ EU-Kommissar Pascal Lamy beruhigte gestern in Berlin: Im Kulturbereich gebe es keine Liberalisierung.

Umstritten ist außerdem die Wasserversorgung. In dem Entwurf taucht nur die Entsorgung auf – diese darf von ausländischen Tochterfirmen übernommen werden. Die Wasserversorgung ist auch innerhalb der WTO ein Zankapfel und wird wohl deshalb nicht erwähnt: Einige Länder wollen den Bereich ganz aus dem Gats herausnehmen – die EU gehört nicht dazu. NGOs gehen davon aus, dass Brüssel plant, den Wassermarkt zunächst in der EU zu liberalisieren und dann auf WTO-Ebene.

Die Unternehmen, die Interesse an der Wasserversorgung hätten, sind ohnehin meist europäisch – Aquamundo, Vivendi, Berlinwasser oder Thames Water. „Die EU-Kommission hat diese Unternehmen befragt, welche Handelshemmnisse beseitigt werden sollten“, berichtet Danuta Sacher von Brot für die Welt. Während die privaten Firmen besseren Service und höhere Effizienz als Argumente für die Liberalisierung vorbringen, fürchten Kritiker eine „Kommerzialisierung des Wassers“, die an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbeigeht. Sacher: „Wenn etwa in einer Region wenig Regen fällt und die Regierung beschließt, Wasser dorthin zu leiten, und der dortige Versorger ist privat, dann könnte dieser vor der WTO klagen, dass sein Geschäft beeinträchtigt wird.“

KATHARINA KOUFEN