Mehr Markt für alle

In Zukunft sollen Firmen aus Nicht-EU-Staaten in der Union nicht mehr benachteiligt werden

von KATHARINA KOUFEN

Die EU war stets bemüht, nicht allzu viele Details zu veröffentlichen, und so sickerten nur ganz allmählich einzelne Informationen durch: Wie soll der Gats-Vertrag aussehen, in dem die Welthandelsorganisation (WTO) den Handel mit Dienstleistungen regelt? Derweil spekulierte die Zivilgesellschaft: Droht den deutschen Stadtwerken das endgültige Aus? Werden deutsche von amerikanischen Universitäten verdrängt, arbeiten hier bald indische Taxifahrer und russische Reinigungstrupps?

Bis Ende März muss die EU-Kommission am Sitz der WTO in Genf einen Entwurf vorlegen, der auf diese Fragen eine erste Antwort geben soll: Darin wird aufgelistet, in welchen Bereichen es Nicht-EU-Firmen erlaubt sein soll, Dienstleistungen in der Union anzubieten.

Das Gats entstand aus drei Gründen: dem Glauben, staatliche Unternehmen erbrächten eine schlechtere Leistung als private; der finanziellen Situation der Kommunen, die ihre Unternehmen meist bezuschussen müssen; und dem Interesse der großen Dienstleistungsunternehmen, auch ins Ausland zu expandieren.

Seit Anfang der Woche hat die Debatte um Gats in Deutschland an Dynamik gewonnen. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul kritisierte, dass ihrem Haus keine detaillierten Listen der EU-Forderungen an die anderen WTO-Länder vorlägen, und EU-Handelskommissar Pascal Lamy flog gestern nach Berlin, um allzu große Imageschäden abzuwenden. Denn nicht einmal seine Gesprächspartner, etwa der Geschäftsführer des deutschen Kulturrats Olaf Zimmermann, wissen genau, was die EU in der WTO vorschlagen wird.

Dabei kommt der Entwurf auf den ersten Blick recht harmlos daher: Die umstrittenen Themen Wasser und Energie werden gar nicht erwähnt, in den Bereichen Bildung und Kultur behält sich die EU Ausnahmeklauseln vor. Ausländische Arbeitnehmer dürfen nur sehr eingeschränkt in der Union beschäftigt werden.

Viele Bereiche hat die EU zur Schaffung ihres gemeinsamen Binnenmarktes ohnehin bereits liberalisiert, etwa den Telekommunikationsmarkt: Bei der Vergabe der UMTS-Lizenzen konnten finnische und spanische Unternehmen genauso mitbieten wie deutsche. Auch gilt innerhalb der Union das Prinzip der Freizügigkeit. Portugiesische und britische Bauarbeiter haben maßgeblich am Bauboom in Berlin mitgewirkt.

Allerdings schützt gegen „Sozialdumping“ in der Europäischen Union die Entsenderichtlinie. Sie sieht vor, dass Beschäftigte nicht unter den lokal geltenden Mindestlöhnen und Sozialstandards arbeiten dürfen. Diese Regelung wurde im EU-Entwurf für die Gats-Verhandlungen nur in einer verwässerten Formulierung übernommen.

Nun können in den meisten Branchen auch heute schon Unternehmen aus dem außereuropäischen Ausland in Deutschland und den anderen EU-Ländern Tochterunternehmen bilden. Nur: Mit dem Gats verpflichten sich die Mitglieder auf „Inländerbehandlung“ und „Meistbegünstigungsklauseln“. Das heißt: Wird ein öffentliches Unternehmen subventioniert, müssen auch die privaten Subventionen erhalten. Und: Das letzte Wort bei der Entscheidung, ob eine Dienstleistung privatisiert werden soll, haben nicht mehr die Kommunen. Will ein privates Unternehmen in einem Bereich, den die WTO für die Liberalisierung freigegeben hat, einsteigen, kann es sich dies unter Berufung auf die Vereinbarung erstreiten.

Gewerkschaften, Kulturbeauftragte, Lehrer – sie alle warnen vor den weitreichenden Konsequenzen, die das Gats haben wird: Beschlüsse, sind sie erst einmal gefasst, sind nur schwer wieder umzukehren, die WTO-Regeln sind für die Mitglieder verbindlich. Danuta Sacher von Brot für die Welt führt das Beispiel der bolivianischen Stadt Cochabamba an: Dort machte die Kommune die Liberalisierung der Wasserversorgung rückgängig, weil die Bevölkerung tagelang gegen die höheren Preise protestierte. Die Folge aber war eine Schadenersatzklage in Höhe von 25 Millionen Dollar. „Steuergeld für eine Dienstleistung, die der Bevölkerung nichts gebracht hat als Ärger“, so Sacher.