Linsensuppe am Morgen

Was ist ein nahrhaftes, gesundes Frühstück? Brötchen, Nutella und Schinken versus Haferflocken und Rotbuschtee. Essen, wann und wozu man Lust hat, raten Ernährungsexperten

„Nur gesund ist auch nicht gut“, sagt Ernährungsexperte Roland Possin

von LENA GORELIK

Meine 86-jährige Oma macht jeden Morgen Gymnastik. Bei offenem Fenster, weil frische Luft gesund ist. Pünktlich um 8.30 Uhr ist sie wach, das Fenster offen, und: Kniebeugen, Drehungen, Hüpfer und was sonst noch dazu gehört. Dann frühstückt sie: Vollkornmüsli mit Obst. Und dann meckert sie an mir herum.

„Kind, du ernährst dich ungesund. Frühstück ist wichtigste Mahlzeit des Tages.“ Und so weiter und so fort. Man darf sich davon nicht beeindrucken lassen. Ich genieße meine frischen knusprigen Brötchen mit Unmengen von Nutella, stopfe zwei Eier und Schinkentoast in mich rein, leere mehrere Tassen Kaffee. „Das ist keine Energiezufuhr. Wo sind die Vitamine?“ will meine Oma wissen. Einen frisch gepressten Orangensaft würde ich nicht ablehnen, aber so früh am Morgen ist mir das Pressen zu viel Arbeit.

„Man sollte das frühstücken, worauf man Hunger hat“, meint Ernährungsberaterin Sonja Müller-Kaya und bestärkt meine Argumente gegen meine Oma. „Wenn jemand morgens etwas Warmes braucht und Linsensuppe essen will, soll er das tun.“ Die Ernährungswissenschaft schreibe auch nicht mehr wie früher vor, was um wieviel Uhr gesund sei. „Die meisten müssen vielmehr lernen, auf ihr Sättigungsgefühl zu achten.“ Auch wenn jemand vor zehn Uhr morgens nichts herunterkriegt, sei das im Gegensatz zu dem, was uns Mütter (und Omas) eingehämmert haben, okay. „Bei Kindern ist das anders“, schränkt Müller-Kaya ein.

Möchte man sich bewusst gesund ernähren, seien Müsli und andere Vollwertprodukte das Beste, weil die darin enthaltenen Ballaststoffe schnell satt machen und die Verdauung anregen, erklärt Müller-Kaya. Auch Obst sei ballaststoffreich.

Experte Roland Possin, der Bücher zum Thema Ernährungsberatung schreibt, ist ähnlicher Meinung. Allerdings: „Nur gesund ist auch nicht gut. Sonst kriegt man irgendwann einen Rappel und stopft nur noch Cola und Chips in sich rein.“ Trotzdem, auf bestimmte Dinge achten könne man schon. „Am besten kauft man keine Billigprodukte, die voller Zusatzstoffe sind.“ Wenn man zum Beispiel lieber Margarine als Butter mag, sei gute Qualität wichtig. Als Brotbelag sei Käse empfehlenswert und: „Vegetarische Aufstriche sind im Kommen.“

Kaffee sei ein Thema für sich, erklärt Possin. „Bis zu vierzig Prozent an Calcium und Eisen gehen verloren, wenn man die koffeinhaltige Brühe bereits morgens in sich hinein schüttet. Bereits zwei Stunden nach dem Essen werden die Mineralstoffe nicht mehr geraubt.“ Dasselbe gelte für Schwarztee. Folgenden Ratschlag habe ich auch schon von meiner Oma gehört: Früchtetees sind am Morgen gut, Rotbuschtee sei zum Beispiel im Kommen. Zu meiner Freude schränkt Possin ein: „Wenn man nicht regelmäßig und nicht viel Kaffee trinkt, ist es nicht schlimm.“

Sein Rezept für ein gesundes Frühstück: Haferflocken zehn Minuten lang im Wasser aufkochen, Trockenfrüchte oder frisches Obst dazu geben. Das sei sättigend, gebe viel Energie und unterstütze die Verdauung. Ein Rezept, das meine Oma begeistern würde und meine Nutellabrötchen außen vor lässt.

„Manchmal muss man auch Gesundheitsratschläge vergessen und sich ein Frühstück mit Brötchen, Ei und Schinkentoast gönnen“, erklärt Possin. Zu bedenken sei allerdings, dass mit einem Ei der menschliche Cholesterinbedarf für einen Tag gedeckt ist.

Eine aktuelle Studie aus England, die im „British Journal of Nutrition“ veröffentlicht wurde, besagt, dass eine Scheibe Brot mit Käse, Wurst oder Schinken eher schlapp als fit macht. Ein kohlenhydratreiches Frühstück aus Cerealien liefere dagegen Energie. Ich hoffe, meine Oma kriegt diese Zeitschrift nie in die Hände.