Jüdische Ansprüche gerettet

Die „Globalanmeldung“ von Rückerstattungsansprüchen Unbekannter war unter bestimmten Bedingungen zulässig

VON CHRISTIAN RATH

Die Rückgabe und Entschädigung jüdischer Grundstücke in Ostdeutschland kann weitergehen. Zwar hatte das Bundesverwaltungsgericht Ende Oktober die Anträge der Jewish Claims Conference (JCC) als teilweise unwirksam eingestuft. Doch aus dem jetzt schriftlich vorliegenden Urteil ergibt sich: Die Claims Conference muss künftig nur etwas mehr Aufwand betreiben.

In Westdeutschland wurden „arisierte“ jüdische Grundstücke relativ bald nach 1945 zurückgegeben oder entschädigt. Dagegen fühlte sich die DDR nicht für Zwangsverkäufe und NS-Enteignungen zuständig. Erst nach der ostdeutschen Wende stand das Thema auf der politischen Tagesordnung.

Zwei wichtige Klauseln konnte die Claims Conference damals im „Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen“ unterbringen. Zum einen sollten jetzt nicht nur die kommunistisch enteigneten Grundstücke, sondern auch das ab 1933 „arisierte“ jüdische Eigentum zurückgegeben oder zumindest entschädigt werden. Außerdem sollte die Jewish Claims Conference selbst forderungsberechtigt sein, wenn keine Betroffenen mehr leben und sich auch keine Nachfahren melden. Denn weder die Erben der NS-Gewinnler noch der deutsche Staat sollten davon profitieren, dass die ostdeutschen Juden vertrieben oder vernichtet wurden.

Große Probleme bereitete der Claims Conference allerdings die Sperrfrist, die im Juli 1992 ins Vermögensgesetz eingebaut wurde. Schon sechs Monate später – bis zum 31. Dezember 1992 – sollten alle Ansprüche angemeldet sein. Doch hatte die JCC anders als private Antragsteller kein persönliches oder in der Familie weitergegebenes Wissen über verlorene Werte. Auch waren ostdeutsche Archive damals noch nicht zugänglich oder in schlechtem Zustand. Als Notlösung behalf sich die JCC kurz vor Ablauf der Frist mit drei „Globalanmeldungen“. Damit wurden alle jüdischen Grundstücke zurückgefordert, die der JCC später noch bekannt werden sollten.

Die Vermögensämter akzeptierten die Globalanmeldungen auch jahrelang. Für Gefahr sorgte erst ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin aus dem Jahr 2002. Dort verlangte man, dass auch im Fall der Claims Conference lediglich die bis Ende 1992 eingereichten Anträge als fristgerecht gelten. Nur so könne das Ziel der Frist – Rechtssicherheit – erreicht werden. Damit waren immerhin zwei Drittel der bisher rund 100.000 JCC-Anträge in Frage gestellt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Streit mit einem Kompromiss beendet. Nur eine der drei Globalanmeldungen von Ende Dezember 1992 sei so konkret, dass damit Grundstücke „individualisiert“ werden konnten. Diese „Anmeldung 3“ verweist auf Archive und Aktenbestände, die damals in einer mehr als 70 Seiten umfassenden Liste aufgezählt wurden. Überzeugend ist das nicht. Manche der aufgeführten Archive befanden sich in Russland oder Israel oder waren nicht zugänglich. Faktisch konnte sich auch anhand der Globalanmeldung 3 niemand Gewissheit verschaffen.

Die Claims Conference ist inzwischen zufrieden. Direkt nach dem Urteil hatte Karl Brozik, der Direktor der JCC in Deutschland, noch vor „unüberwindbaren Hürden“ gewarnt. Doch nach Studium der jetzt veröffentlichten Urteilsbegründung kommt JCC-Anwalt Stefan Minden zu einem milderen Schluss: „In den allermeisten Fällen wird uns der Nachweis gelingen, dass die Immobilie in einem der aufgeführten Archive erwähnt war.“

Die neuen bürokratischen Anforderungen sind für 38.000 noch unbearbeitete Anträge relevant. Auf bereits rechtskräftige Entscheidungen (siehe Kasten) haben sie faktisch keine Auswirkungen.