Mission Impossible

Die deutschen Volleyballer starten heute in Leipzig in die Olympia-Qualifikation – als ziemlich krasser Außenseiter

BERLIN taz ■ Werner von Moltke ist ein großer Mann, und der Präsident des Deutschen Volleyball Verbands (DVV) ist bekannt dafür, bisweilen große Worte von sich zu geben. Gestern in Leipzig war das mal wieder der Fall, als der Graf, ehedem ein nicht ganz unerfolgreicher Zehnkämpfer, die Eröffnungspressekonferenz zum großen Olympia-Qualifikationsturnier dazu nutzte, seine ganz eigenen Forderungen an die deutschen Schmettermänner zu stellen: „Die Jungs sind fit, und ich sehe den Willen in den Augen“, sprach von Moltke. Ergo: „Wir wollen nach Olympia.“ Widerworte zwecklos, der Mann ist der Präsident.

Wenn die deutschen Volleyballer nur schon angekommen wären in Athen. In der Arena zu Leipzig kämpfen von heute bis Samstag nämlich gleich acht Mannschaften darum, nächsten Sommer in Griechenland Bälle übers Netz dreschen zu dürfen, nur einer aber wird es gestattet werden. Die DVV-Hünen, dass muss man so sehen, zählen für das zu vergebende Olympia-Ticket nicht unbedingt zu den allerersten Anwärtern. Zur Erinnerung: Bei der EM letzten September, ebenfalls im eigenen Land, wurden sie lediglich Siebte – und das, obwohl sie dabei keineswegs enttäuschten.

Natürlich weiß auch von Moltke das, er ist schließlich nicht weltfremd – und bestimmt weiß er auch, dass Leipzig eine ziemliche mission impossible werden wird für die Deutschen. Andererseits: Wer, wenn nicht er, der Präsident, soll ein bisschen gute Stimmung verbreiten und Hoffnung. „Wir haben die Qualifikation nach Leipzig geholt, damit die Männer über sich hinauswachsen“, sagt von Moltke. Rund 150.000 Dollar muss der DVV dafür an den Internationalen Verband FIVB berappen. Da darf der Präsident sich schon mal ein wenig aus dem Fenster lehnen. Der Präsident sagt: „Das bin ich meiner Funktion schuldig.“

Stelian Moculesu ist es der seinen Position schuldig, die Dinge wieder ins Lot zu rücken. Moculesu ist Bundestrainer. Er sagt: „Wir sind Außenseiter und müssen versuchen, diese Chance zu nutzen. Nur wenn es uns gelingt, in allen Spielen unsere Topleistung über die gesamte Spieldauer zu zeigen, haben wir überhaupt eine Chance.“ Schwer genug aber bleibt es auch dann. Zwar haben sich Weltmeister Serbien-Montenegro sowie Europameister Italien bereits für Athen qualifiziert, ausreichend hart aber sind die Brocken in Leipzig nach wie vor. Am ehesten schlagbar erscheinen die Bulgaren, heute (17.30 Uhr) Auftaktgegner; gegen den EM-Dritten Polen (Dienstag) sowie vor allem gegen den Olympiazweiten Russland (Donnerstag) müssen die DVV-Mannen fast schon mehr als über sich hinauswachsen. Sollte ihnen das gelingen, könnten im Halbfinale (Freitag) Vizeeuropameister Frankreich oder die Holländer Gegner sein, vom Finale (Samstag) sei noch gar nicht die Rede.

So unmöglich zu erfüllen die Mission für die deutschen Schmettermänner in Leipzig auch erscheint, so bedeutend dürfte sie für die zumindest mittelfristige Zukunft des Hallenvolleyballs hierzulande sein. „Wer nicht bei Olympia ist, hat Schwierigkeiten mit der Förderung“, sagt Präsident von Moltke. Auch die Treue der verbandseigenen Sponsoren dürfte im Fall des Scheiterns auf eine harte Probe gestellt werden. Von diesen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wiederum könnte das weitere Wirken Moculescus abhängig sein. Der Rumäne ist nicht nur ein international anerkannter Volleyballfachmann, sondern zeichnet maßgeblich dafür verantwortlich, dass die deutschen Volleyballer überhaupt wieder auf Tuchfühlung gekommen sind mit der Weltspitze. Bereits nach der EM war Moculescu jedoch nahe dran, den Betel hinzuschmeißen, zumal bekannt wurde, dass die deutschen Volleyballer in diesem Jahr nicht mehr in der Weltliga mitschmettern dürfen. Das Mitwirken dort, den Vergleich mit den weltbesten Teams, hat der Rumäne aber stets als Voraussetzung genannt, um den deutsche Volleyball weiter nach vorn bringen zu können. Wie er reagiert, wenn nun auch noch Olympia ohne die deutsche Mannschaft stattfinden sollte, ist schon zu erahnen. Es ist keine gute Ahnung. FRANK KETTERER