In Holland Gift, bei uns Dünger

Die Niederländer wollen ihren Klärschlamm nicht, dafür landet er in Nordrhein-Westfalen auf dem Acker. Doch der Schlamm ist keinesfalls unbedenklicher Dünger, denn in ihm reichern sich organische Schadstoffe an, wie eine neue Studie nachweist

„Für viele Schadstoffe im Klärschlamm bestehen überhaupt keine Grenzwerte“

VON BERND MIKOSCH

Rund 340.000 Tonnen genehmigungspflichtige Abfälle aus dem Ausland haben im Jahr 2002 Deutschlands Felder gedüngt. Darunter Hühnerkot, Bodenaushub – und 120.000 Tonnen Klärschlamm, so die im Dezember veröffentlichte Statistik des Umweltbundesamtes. Der importierte Klärschlamm kommt fast ausschließlich aus den Niederlanden; dort verbieten die strengen Grenzwerte eine Verwertung in der Landwirtschaft. Darum werden die Schlämme aus den Kläranlagen über die Grenze gekarrt und hierzulande auf dem Acker entsorgt, vor allem in Nordrhein-Westfalen.

Doch auch in Deutschland ist Klärschlamm als Dünger seit Jahren umstritten. Eine neue Studie könnte den Kritikern jetzt Auftrieb geben: Die Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU) wies erstmals nach, dass sich organische Schadstoffe in klärschlammgedüngten Ackerböden anreichern – und nicht wie bisher vermutet abgebaut werden.

Im vergangenen Jahr wurde ein Viertel des jährlich anfallenden Klärschlamms landwirtschaftlich verwertet. Das sind einer Umfrage zweier Fachverbände zufolge rund 600.000 Tonnen, die importierte Menge noch nicht mitgerechnet.

Ein Auge hatten die Karlsruher Forscher der LfU besonders auf Organozinnverbindungen, die etwa in Baumwolle als Konservierungsstoffe eingesetzt werden, und polyzyklische Moschusverbindungen, künstliche Duftstoffe aus Kosmetikprodukten. „Beide Stoffgruppen gelten eigentlich als relativ gut abbaubar“, sagt LfU-Projektleiter Peter Dreher. Trotzdem fanden er und seine Kollegen diese Schadstoffe selbst in einem Ackerboden, der seit 14 Jahren nicht mehr mit Klärschlamm gedüngt wurde.

„Für viele der organischen Schadstoffe, die sich im Klärschlamm und später im Ackerboden nachweisen lassen, bestehen derzeit überhaupt keine gesetzlichen Grenzwerte“, mahnt Dreher. Bei der anstehenden Novellierung der Klärschlamm-Verordnung werde darum diskutiert, Klärschlämme künftig auch auf giftige Organika testen zu lassen. „Es wird aber nicht möglich sein, Klärschlamm auf das ganze Spektrum organischer Schadstoffe hin zu untersuchen“, sagt der LfU-Forscher. „Das wäre viel zu aufwändig und zu teuer.“

Seinem Arbeit- und Auftraggeber, dem Umweltministerium Baden-Württemberg, kommen die Ergebnisse der Studie gerade recht: Schließlich setzt sich Stuttgarts Umweltminister Ulrich Müller (CDU) seit fast zwei Jahren dafür ein, dass Klärschlamm künftig verbrannt und nicht mehr über die Felder entsorgt wird.

Befürworter der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung bemühen sich dagegen, die LfU-Untersuchung herunterzuspielen. Armin Melsa vom Vorstand der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall kritisiert, dass die Schadstoffe nur dem Klärschlamm angelastet würden, andere Dünger aber unberücksichtigt blieben. Handlungsbedarf sieht Melsa ohnehin nicht: „Die organischen Schadstoffe werden gar nicht von der Pflanze aufgenommen“, darum könnten sie auch nicht in die Nahrungskette gelangen. Gut möglich, dass bald die nächste Studie zum Thema erscheint – um zu belegen, dass aus diesen Gründen Klärschlamm völlig unbedenklich ist. Anderenfalls könnten die Kläranlagen nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Niederlanden bald ein Entsorgungsproblem haben.