Spekulanten pokern um Bellevue

Wird Wolfgang Schäuble nun Bundespräsident? Die CSU scheint sich hinter den einstigen CDU-Vorsitzenden zu stellen, rechtzeitig zu ihrer Klausurtagung in Kreuth. Oder ist alles bloß ein taktisches Spielchen? Die Antwort kennt nur Michael Glos

AUS BERLIN PATRIK SCHWARZ

Michael Glos ist alles zuzutrauen. Kaum ein Politiker bietet mit seinen mal deftigen, mal kryptischen Äußerungen so viel Anlass zur Spekulation. Bei den berufsmäßigen Spekulanten von der Presse ist der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag darum ungewöhnlich beliebt – er liefert den Stoff, von dem sie leben.

„Meine persönliche Präferenz für das Amt des Bundespräsidenten ist Wolfgang Schäuble“, diktierte der Bayer nun einer Sonntagszeitung in den Block. Steht damit die CSU hinter Schäuble? Wird aus dem still wartenden, still leidenden Reservekandidaten Schäuble der Kandidatenfavorit der Union? So schreiben es mehrere Blätter am Wochenende, darunter der Spiegel. Glos’ Wort hat Gewicht, schließlich ist der Mann die politische Dreieinigkeit in Person – als CSU-Landesgruppenvorsitzender, als erster Stellvertreter der Unionsfraktionschefin Angela Merkel und als Intimus von CSU-Alleinherrscher Edmund Stoiber. Im Reizklima, das die Präsidentenkür schon lange vor dem Wahltermin am 23. Mai umgibt, stellt jedes Bekenntnis zu einem möglichen Anwärter eine Provokation dar – zumal Merkel die Kandidatenauswahl für sich beansprucht. Stoiber ging bereits auf vorsichtige Distanz zu Glos und kündigte gemeinsame Beratungen mit der CDU-Chefin in den nächsten Wochen an. Was also wollte Stoibers Berliner Statthalter erreichen?

„Meine persönliche Präferenz für das Amt des Bundespräsidenten ist Wolfgang Schäuble.“ Unmissverständlicher kann ein Satz kaum sein – käme er nicht von Michael Glos. Schon einmal gab der routinierte Taktierer eine „persönliche Einschätzung“ zur Person Schäuble ab. Am 31. Oktober 2001, als Merkel und Stoiber noch heftig um die Kanzlerkandidatur konkurrierten, brachte Glos plötzlich einen dritten Kandidaten ins Gespräch: „Gegenwärtig gibt es drei Bewerber“, erklärte er einer verdutzten Öffentlichkeit, „für mich ist Schäuble einer der fähigsten Politiker, die die CDU hat.“ Gesprochen habe er freilich mit ihm darüber noch nicht und überhaupt sei dies nur eine Idee.

Erst über ein Jahr später legte Glos offen, was ihn damals trieb. In der zweiteiligen Fernsehdokumentation „Unsere Volksvertreter“, die vorige Woche in der ARD ausgestrahlt wurde, bekannte er: Die Nennung von Schäubles Name war nur ein Versuch, die Chancen seines Münchner Herrn und Meisters zu verbessern. „Nicht weil er Schäuble wirklich wollte“, habe Glos ihn genannt, sagt Jürgen Thebrath, stellvertretender Chefredakteur beim produzierenden Sender WDR, „sondern einzig und allein um eine zu dem Zeitpunkt drohende Vorentscheidung zugunsten Angela Merkels zu verhindern.“ Der Plan ging auf. „Wochenlang diskutierten alle Medien das Pro und Contra von Schäubles Kandidatur.“ Derweil trieb Glos Stoibers Nominierung voran.

Wiederholt sich etwa diese Dreiecksgeschichte? Ein Überraschungskandidat Stoiber, so die vorherrschende Meinung in der Union, ist fast ausgeschlossen. Aber vielleicht führt Michael Glos auch anderes im Schilde. Was genau – das weiß nur er.