Straftatbestand Autofahren

Vom ADAC bis zu den Grünen: Immer stärkere Kritik an der geplanten Videoüberwachung von Autofahrern. Das „Auffinden gestohlener Fahrzeuge“ rechtfertige keinen „so tiefen Eingriff in das Grundrecht“, rügt Niedersachsens oberster Datenschützer

„Für anlassfreies Abscannen des fließenden Verkehrs gibt es keine Rechtsgrundlage“

aus Hannover Kai Schöneberg

So einig sind sich ADAC und die Grünen selten. Auch immer mehr Datenschützer kritisieren die derzeit in vielen Bundesländern geplante Videoüberwachung von Autofahrern. Gestern rüffelte Niedersachsens Datenschutzbeauftragter Burckhard Nedden CDU-Innenminister Uwe Schünemann. Dessen Projekt, bis Ende März ein erstes Gerät zum testweisen Abscannen von Autokennzeichen anzuschaffen, sei „äußerst problematisch“, sagte Nedden. Das „Auffinden gestohlener Fahrzeuge“ rechtfertige keinen „so tiefen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz“, rügte er.

Für „anlassfreies“ Abscannen des fließenden Verkehrs gebe es derzeit „keine Rechtsgrundlage“ – weder in der Strafprozessordnung noch im neuen niedersächsischen Polizeigesetz. Im Rennsteigtunnel in Thüringen nahm eine Kamera bereits ohne gesetzliche Grundlage 658 Autos auf – und brachte so Innenminister Andreas Trautvetter (CDU) heftig ins Straucheln.

In Thüringen, Bayern und Hessen wird nur getestet, in Italien, in der Londoner City und in Zürich geben Scanner bereits Alarm, wenn sie geklaute Autos registrieren. Gegen Raser und zur „Gefahrenabwehr“ sei der Einsatz von Kfz-Scannern in Niedersachsen rechtlich gedeckt, betont Klaus Engemann, Sprecher des Innenministers. Im Unterschied zu anderen derzeit erprobten Lösungen wolle Niedersachsen nur ein mobiles Gerät, kein stationäres – wie etwa eine Radarfalle für Geschwindigkeitskontrollen.

Zudem würden nicht alle Autofahrer-Daten gespeichert, die der Scanner erfasst, betont Engemann: „Nur, wenn was ist, gibt das Gerät Alarm, sonst werden die Daten umgehend gelöscht.“ Und nur, wenn es einen Verdacht gebe, werde überhaupt ein Scanner installiert.

Das ist vielen Kritikern zu weich formuliert. Die Pläne Schünemanns ließen offen, ob der videoüberwachte Kraftfahrer Täter oder Opfer sei. „Alle Autofahrer, die so erfasst werden, gelten erst mal als potentielle Straftäter“, sagt Jürgen Sucka vom Landesamt für Datenschutz. Wenn die Polizei auf der Autobahn Daten scanne, „habe ich jeden unbescholtenen Bürger dabei“. Die Erfassung von Kennzeichen stelle „rechtlich eine Datenerhebung und Speicherung“ dar. Bei der Datenübertragung und beim automatisierten Abgleich mit einem Zentralcomputer würden zudem „Datenspuren erzeugt, die über den Abgleich hinaus für Kontrollzwecke gespeichert bleiben“.

Die Sorge, dass eine so aufwändige Technik nicht nur zur Fahndung nach gestohlenen Kraftfahrzeugen dienen solle, sondern bald auch „den Ruf nach mehr erschallen lässt“, findet Niedersachsens oberster Datenschützer Nedden „nur zu verständlich“.

Zulässig sei es hingegen, Kennzeichen nach wirklich konkreten Hinweisen zu registrieren. Sucka: „Wenn die Polizei herausgefunden hat, dass an einem bestimmten Platz Autoschiebereien vor sich gehen, darf sie an diesem konkreten Ort auch Kennzeichen erfassen.“