Unistreik heißt jetzt Protest

Studis der Humboldt-Uni beschließen Doppelbelastung: vier Protesttage pro Woche plus Studium. Der Streik aber wurde mit knapper Mehrheit beendet. Anschließend Büro des HU-Präsidenten besetzt

von STEFAN ALBERTI
und BASTIAN BREITER

Die Studierenden der Humboldt-Universität (HU) haben als Erste den Streik gegen eine 75-Millionen-Kürzung bei den Landeszuschüssen abgebrochen. In einer Vollversammlung stimmten 1.980 Studierende für ein Ende des am 15. November begonnenen Ausstands, 1.800 dagegen. Unterlegene Streikbefürworter konnten aber durchsetzen, dass es zwischen montags und freitags vier Protestage gibt. Dieser „Streik minus eins“ soll bis zum 29. Januar gelten: Dann diskutiert das Abgeordnetenhaus den Haushalt samt Uni-Kürzungen. Ein neues Bündnis kündigt dazu eine Blockade an. Nach der Vollversammlung besetzten Studierende das Büro von HU-Präsident Jürgen Mlynek.

Die Vollversammlung dauerte schon fast drei Stunden, als sich im Audimax die Studierenden auf zwei Ausgänge zubewegten. „Ja“ stand über dem einen, „Nein“ über dem anderen: Ein so genannter Hammelsprung entschied über den Streik, weil nach bloßem Handaufzeigen das Votum umstritten war. Viermal wurde das Verfahren an diesem von heftigen Disputen geprägten Nachmittag durchgeführt.

Unter den 1.980, die durch die „Nein“-Tür gingen, war auch Bettina Wormuth, Romanistik-Studentin im 11. Semester. Proteste müsse es weiter geben, sagte sie, um die Kürzungen noch zu verhindern. Doch der Streik ist für sie abgedriftet, „zu sehr ins Anarchohafte“, weg vom Kern der Uni-Streichpläne. „Außerdem schneiden wir uns ins eigene Fleisch: Wenn wir nicht zu Veranstaltungen gehen, tun wir damit niemand weh außer uns selbst.“

Bis Streikbefürworter anschließend vier Protesttage wöchentlich durchsetzen konnten, war unter ihnen Enttäuschung spürbar. Bella Hemke, Streikaktive von der Technischen Universität, hatte sich eigens mit einem Banner vom Dach des HU-Gebäudes abgeseilt. Über drei Stunden hing sie im Klettergurt bei Minusgraden über dem Eingang, nun mit sichtlich frustriertem Gesicht. „Aufbruch zum Durchbruch“ stand neben ihr, ein Aufruf zum weiteren Streik.

Mittwoch stimmen Vollversammlungen an TU und FU über den Streik ab. Ein Nein an der HU kann ein Signal setzen. Deutschland schaue auf Berlin und Berlin heute auf die HU, hatte ein Redner im Audimax gesagt. Studierende von der Mahnwache am Roten Rathaus klagten, sie hätten nicht über Silvester ausgehalten, damit die erste Vollversammlung nach den Feiertagen den Streik kippt.

Lothar Nätebusch mochte zwar nicht von Enttäuschung sprechen und setzt auf weitere Proteste. Doch der Landeschef der IG Bauen Agrar Umwelt hatte zu Beginn der Vollversammlung ein klares Ja zum Streik gefordert: „Man darf nicht auf halber Strecke stehen bleiben.“ Das gelte umso mehr, weil andere Gruppen anfingen, sich zu bewegen. Erst am Vorabend hatte sich an der HU ein „Bündnis gegen Sozial- und Bildungsraub“ gebildet.

Wiederholt drückten Streikgegner ihre Angst aus, das Semester und auch ihre Ausbildungsförderung zu verlieren. Angesichts dessen, was an Studiengebühren drohe, habe er eher Angst, den Streik zu beenden, konterte ein anderer Student. HU-Vizepräsident Elmar Tenorth sagte der taz: „Damit es Leistungsnachweise gibt, müssen Dienstag wieder Veranstaltungen stattfinden.“ Im Büros seines abwesenden Chefs machen es sich Stunden später zwölf Studierende auf dem Sofa bequem. Sie wollten über Nacht bleiben.