Volles Rohr im SUV

Alles wurde zuletzt gewählt, nur das Akronym des Jahres hat man bis heute vergessen

Der Kleinjungentraum vom persönlichen Kampfpanzer wird wahr

Das Wort des Jahres ist gefunden, das Akronym des Jahres wird auch 2004 leider nicht gekürt werden. Dabei hätte es SUV dringend verdient. SUV steht für Sports Utility Vehicle und bezeichnet Fahrzeuge, die als Pkw zugelassen sind, tatsächlich aber den Kleinjungentraum vom ganz persönlichen Kampfpanzer Wirklichkeit werden lassen. Die leider viel zu wenig beachtete Homepage www.kfztech.de definiert denn das SUV als „ein freizeitorientiertes geländegängiges Spaßfahrzeug mit Allradantrieb, eher für die Straße als für das Gelände entwickelt“.

Selbstverständlich gibt es Leute, die auch in der Großstadt ein geländegängiges Fahrzeug brauchen, denken wir an die etwa 20.000 Großwildjäger in Düsseldorf oder die 46.000 Flößer in München. Für die bedeutet ein SUV schlicht und ergreifend die Existenzgrundlage. Für alle anderen ist es einfach nur ein Angeberauto, eines für Leute, die gern Großwildjäger, Flößer oder Diamantensucher geworden wären, aber durch eine Verkettung blöder Umstände leider bei Daimler arbeiten oder in einer Law Firm mit 500 Anwälten ein schniefiges kleines Rädchen sind. Böse Zungen behaupten, SUV stehe in Wirklichkeit für „Schniedel Unter Vier“, aber bevor jetzt die SUV-Piloten eine Sammelklage gegen die Wahrheit einreichen, sei diese Behauptung sofort und unmissverständlich als hässliches Gerücht dementiert. Nicht einmal die Größe des Radstandes lässt Aussagen über den dazugehörigen Ständer zu. Nicht reziprok, nicht proportional und schon gar nicht invers.

Wer vielmehr auch bei außergewöhnlichen Straßenverhältnissen wie Hagel, Graupel, Regen, Schnee, Glatteis, Sonnenschein, Haufenwolken oder gar Schäfchenwolken todsicher und vor allem schnell zum Sonnenstudio und zurück brettern will, wer beim Brötchenholen nicht nur lässig auf dem Bürgersteig parkt, sondern lieber gleich in die Bäckerei hineinfährt, wem ein Mastino oder Bullterrier nicht ausreicht, um auf der Straße Angst und Schrecken und vor allem Spaß zu verbreiten, der braucht ein SUV.

Ein SUV erinnert am ehesten an ein riesiges Insekt, das so scheußlich aussieht, dass man es nicht einmal kaputtmachen möchte, weil ekliger Schleim rausspritzen würde. Das Kartell der SUV-Designer hat sich offenbar von der Familie der Mistkäfer (Geotrupidae) inspirieren lassen, vielleicht weil es ja einmal einen sehr erfolgreichen Käfer gegeben hat. Die Homepage life-car.de preist das SUV aus dem Hause Volvo, den schnuckligen kleinen XC 90 mit wahlweise 210 oder 272 PS, wie folgt an: „Der SUV-Angriff aus Schweden“. Beim Angriff hat man an alles gedacht: „Selbst an Fussgängerschutz (!) mit einem zusätzlichen Deformations-Element in der Front hat Volvo gedacht.“

Wesen und Gestalt des SUV wären eigentlich nicht mehr zu übertreffen, hätten Volvo und die anderen Fußgängerversteher in der Autobranche nicht den menschlichen Faktor, den SUV-Piloten selbst, vergessen. Das Erste, was sich ein frisch gebackener SUV-Eigentümer an seine zumeist in der Farbe eines Leichenwagens lackierte Tötungsmaschine löten lässt, ist ein Kuhfänger, in SUV-Kreisen auch „Volles Rohr“ genannt. Das Volle Rohr bewirkt, dass Fußgänger, die so unvorsichtig sind, dem SUV auf seinem Weg in die Bäckerei zu begegnen, dessen schöne Karosserie nicht besudeln, sondern vorschriftsmäßig weit über das Heck des Fahrzeugs hinausgeschleudert werden, wo sie dann von einer Toyota-Tussi oder einer Seat-Schlampe beiderlei Geschlechts waidgerecht überrollt werden können. Denn so ein SUV kostet schon ein bisschen mehr. 40.000 Euro für den Touareg von VW (der eigentlich Taliban hätte heißen sollen, aber dann kam alles anders), 50.000 Euro für den Volvo, 60.000 Euro für den Cayenne von Porsche. Gepfefferte Preise fürwahr (gröhl). Bei dem Gefühl, jeden Tag in tödlicher Mission in Feindesland unterwegs zu sein, sagen eben viele Männer einfach: Weil ich es mir wert bin.

Selbstverständlich ist es besser, diese Leute marschieren in eine Bäckerei ein als in ein fremdes Land, trotzdem sollte man die Kollateralschäden durch SUV nicht unterschätzen. Kurz vor Weihnachten hat im ostwestfälischen Bad Oeynhausen ein 32-jähriger Mann seine Frau im SUV erschlagen. Sie hatte es gewagt, seinen ganz persönlichen Stil beim Einparken zu kritisieren. Dabei hätte sie wissen müssen: SUV-Piloten machen keine Fehler. Sie sind der Fehler.

RALF OBERNDÖRFER