Die falschen Friedenstöne von Abidjan

Die Rebellen der Elfenbeinküste kehren in die Allparteienregierung zurück. Doch die nächste Krise im Friedensprozess kommt: Präsident Gbagbo will politische Reformen per Volksabstimmung durchfallen lassen – mit Hilfe der „patriotischen“ Milizen

Es gibt heute nicht die Bedingungen für faire Wahllisten und Meinungsfreiheit

von DOMINIC JOHNSON

Die Elfenbeinküste macht heute einen großen symbolischen Schritt zum Frieden. Bei der ersten Kabinettssitzung des neuen Jahres werden zum ersten Mal seit vier Monaten die Rebellen des Landes mit am Tisch sitzen. Die „Regierung der Nationalen Versöhnung“ der Elfenbeinküste ist damit komplett. Die Bevölkerung glaubt nun an bessere Zeiten: Anders als vor einem Jahr, als nächtliche Ausgangssperre herrschte, feierte Abidjan diesmal ausgelassen Silvester auf der Straße, und Politiker sprachen in Neujahrsreden vom Frieden. Aber die Hoffnung trügt.

Zwar ist es ein großer Fortschritt, dass die Kriegsgegner jetzt wieder gemeinsam regieren. Seit einem gescheiterten Putschversuch gegen den ivorischen Staatschef Laurent Gbagbo im September 2002 kontrollieren die Rebellen der „Patriotischen Bewegung der Elfenbeinküste“ (MPCI) die Nordhälfte des Landes. Nach blutigen Kämpfen mit tausenden Toten und hunderttausenden Vertriebenen unterschrieben alle Seiten im Januar 2003 das Friedensabkommen von Marcoussis. Darin wurde eine Allparteienregierung eingesetzt. Doch nach endlosen Streitereien traten die Rebellen im September wieder aus.

Damit drohte ein neuer Krieg. Im Regierungsgebiet machten die „Patrioten“ – radikale Gbagbo-treue Milizen, die den Friedensprozess ablehnen und Jagd auf Immigranten machen – immer stärker mobil. Bei den Rebellen erhob sich eine Hardliner-Fraktion gegen die Führung.

Druck aus Frankreich, das mit 4.000 Soldaten die Waffenstillstandslinie quer durch die Elfenbeinküste überwacht, brachte Präsident Gbagbo schließlich dazu, sich zur vollständigen Umsetzung des Friedensabkommens zu bekennen. Kurz vor Weihnachten sagten die Rebellen ihre Rückkehr in die Allparteienregierung zu, nachdem UN-Generalsekretär Kofi Annan ihnen schriftlich Gbagbos Friedenswillen zugesichert hatte. „Die UNO hat uns versichert, dass sie sich viel stärker engagieren wird als bisher“, erklärte MPCI-Vizegeneralsekretär Louis Dakoury-Tabley.

Nun haben Rebellen und Regierungstruppen haben ihre schweren Waffen von der Waffenstillstandslinie zurückgezogen. Demnächst sollen die Franzosen, die bisher fast ausschließlich im Regierungsgebiet stehen, auch im gesamten Rebellengebiet Stellung beziehen.

Die Umsetzung der politischen Dimension des Friedensprozesses gestaltet sich jedoch schwieriger. Das Friedensabkommen legt politische Reformen fest, damit die nächsten Wahlen Oktober 2005 anders als alle bisherigen der Elfenbeinküste unter fairen Bedingungen stattfinden können. Dazu gehört die Änderung der geltenden Nationalitäts- und Wahlgesetze, die das Land in „richtige Ivorer“ und „Fremde“ spalten – ein Viertel der ivorischen Bevölkerung hat die Staatsangehörigkeit von Nachbarländern und ist damit nicht wahlberechtigt, und noch mehr stammen von Migranten ab und werden diskriminiert. Geändert werden soll auch ein Gesetz, das Nichtivorern die Vererbung von Grundbesitz verbietet, auch wenn sie seit Generationen in der Elfenbeinküste leben.

Dass Gbagbo diese Reformen nicht will, weiß in der Elfenbeinküste jeder. In seiner Neujahrsansprache schlug er eine Volksabstimmung darüber vor. Nun entwirft die zivile Opposition ein pessimistisches Szenario: Das Nein soll siegen, und mit dem Hinweis darauf könnte Gbagbo die weitere Umsetzung von Marcoussis verweigern.

Ein Referendum ist im Friedensabkommen nicht vorgesehen, und es ist prinzipiell ein Problem, in einer ethnisch gespaltenen Gesellschaft Minderheitenrechte einer Mehrheitsentscheidung zu unterwerfen. Außerdem sind in der Elfenbeinküste heute keine fairen Bedingungen für das Erstellen von Wahllisten gegeben.

Die Gbagbo-treuen „Patrioten“ trommeln bereits zum Nein zu den Reformen. „Das Referendum wird die wahre Meinung der Elfenbeinküste zu allen Gesetzen klarstellen“, sagte Milizenführer Eugène Blé Goudé in einem Interview. „Wir werden durch die Elfenbeinküste ziehen und alle, die an uns glauben, zu einem klaren Nein auffordern.“ Die Oppositionszeitung Le Patriote schrieb dazu: „Diese ausgebildeten und bewaffneten Jugendlichen werden sich jedem Gbagbo-Gegner in den Weg stellen, der auf die Straße gehen will. Die unbewaffnete Opposition wird somit in Schach gehalten. Und die bewaffnete Opposition kann den bewaffneten Kampf nicht mehr aufnehmen, denn die französischen Soldaten werden sie daran hindern.“

Die Rebellen haben angekündigt, diese Dinge im Kabinett zu besprechen. Auch die UNO macht sich Gedanken: UN-Sonderbeauftragter Albert Tevoèdjré erwägt, dem Sicherheitsrat vorzuschlagen, 10.000 UN-Blauhelme in die Elfenbeinküste zu schicken. Sie sollen die Bevölkerung vor „parallelen Streitkräften“ wie den „Patrioten“ schützen.