Zurück auf Los

Mit dem vorläufigen Scheitern eines Zuwanderungsgesetzes bleibt auch in der Sprachförderungspolitik alles beim Alten. Der Sprachverband wird dennoch abgewickelt, und vor allem der Berufsstand der DeutschlehrerInnen fühlt sich im Stich gelassen

Statt Sprachförderkonzept ein Flickenteppich von Maßnahmen

von VERONIKA KABIS

Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist die gesetzliche Grundlage für die geplanten Integrationskurse entfallen. Im Amtsdeutsch heißt das: Die alte Rechtslage lebt wieder auf. In der Praxis bedeutet es: Statt des einheitlichen, aber unausgegorenen und inhaltlich umstrittenen neuen Sprachförderkonzeptes wird wieder der alte Flickenteppich von Einzelprogrammen und -maßnahmen ausgerollt. Wie seit Jahren verteilen nun wieder mehrere Bundesministerien die Gelder für Kurse, die umfangreich für Aussiedler, weniger umfangreich für ausländische Arbeitnehmer – und auch nur für die aus den ehemaligen Anwerbeländern – und gar nicht für andere Migrantengruppen angeboten werden.

Kursierten im Dezember noch Gerüchte, wonach die Sprachförderung auf eine eigene Rechtsgrundlage, unabhängig vom Zuwanderungsgesetz, gestellt werden könnte, zumal da an einer Neuordnung der Sprachförderung schon lange vorher gebastelt worden war, heißt es heute aus dem Bundesinnenministerium deutlich, dass es keine „Mischlösung“ geben werde. Entweder das Zuwanderungsgesetz und mit ihm das neue Integrationspaket kommt beim nächsten Anlauf, oder die Sprachförderung geht auch in Zukunft ihren gewohnten Gang. Für Lernende, Lehrende und Kursträger ist das eine wie das andere unbefriedigend. Die Sprachförderung nach altem Muster war schon lange der veränderten Einwanderungsrealität nicht mehr gerecht geworden. Das neue Gesamtsprachkonzept seinerseits wies erhebliche Mängel und Ungerechtigkeiten auf: zu geringer Kursumfang, Beschränkung auf Neuzuwanderer, hoher Verwaltungsaufwand, fehlende Planungssicherheit für Kursträger, Pflicht zur Meldung von Kursabbrechern bei der Ausländerbehörde. Auch die Berufsgruppe der Deutschlehrer macht keinen Hehl aus ihrem Frust. Die Lehrer, die eine zentrale Rolle im System der Sprachförderung spielen, fühlen sich zerrieben zwischen Politik und Bürokratie und klagen über die fehlende Wertschätzung ihrer Arbeit, die ein hohes Maß an Kompetenz voraussetzt und dennoch schlecht bezahlt und abgesichert ist. So wirft etwa die „Aktion Butterbrot/Freiberufliche LehrerInnen für Deutsch als Fremdsprache“ mit Sitz in München (www.aktionbutterbrot.de) der Bundesregierung vor, die staatlich subventionierte Sprachkursbranche inhaltlich regulieren, finanziell jedoch deregulieren zu wollen – zu Lasten der Lehrkräfte, deren Honorare mit dem schwer erkämpften Mindestsatz von 23 Euro pro Unterrichtsstunde ohnehin nicht üppig sind. Die erzwungene Freiberuflichkeit für DeutschkursleiterInnen, die oft von einem Kurs zum anderen springen müssen und nur selten fest angestellt werden, bringt eine ganze Reihe von Problemen mit sich: Die LehrerInnen tragen das volle „unternehmerische Risiko“ – das heißt, bei Kursausfall oder im Krankheitsfall fehlen die Einnahmen –, und sie können sich nicht gegen Arbeitslosigkeit versichern. Insgesamt trifft die Planungsunsicherheit, mit der die Sprachkursanbieter, unabhängig davon, ob es irgendwann ein neues Sprachförderkonzept gibt, nun seit Monaten konfrontiert sind, die LehrerInnen besonders hart. Viele ziehen daraus die Konsequenz und wandern in andere Berufe ab.

Man sei allein gelassen von einer verantwortungslosen Politik, die jede Transparenz vermissen lasse, heißt es bei der „Aktion Butterbrot“. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – jetzt wieder Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge – habe nie eine Aussage dazu gemacht, was passieren werde, wenn das Zuwanderungsgesetz nicht in Kraft trete. Die Initiative verweist außerdem darauf, dass sie und andere Praktiker etliche Versuche unternommen hätten, das Zuwanderungsgesetz und das damit verbundene neue Sprachförderkonzept in seinem Entstehen kritisch zu begleiten. Das Angebot der LehrerInnen an die Verantwortlichen, ihr Know-how als Fachleute zur Verfügung zu stellen, habe zwar durchaus ein positives Echo gefunden; doch habe sich das Bundesamt letztlich gegenüber jedem Einspruch taub gestellt.

Hart trifft die veränderte Sachlage indes auch den Sprachverband Deutsch für ausländische Arbeitnehmer e. V. in Mainz. Sein Schicksal war zwar schon besiegelt, denn der Bundesinnenminister hatte bereits angekündigt, dass sich an der zum Oktober 2003 beschlossenen Auflösung des Verbands, der seit 28 Jahren bundesweit die Deutschkursförderung für Arbeitsmigranten organisierte, auch nach dem BVG-Urteil nichts ändern werde. Gänzlich unerwartet hat nun aber das Bundesinnenministerium in einem Erlass am 27. Januar festgelegt, dass das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg die Deutschkurse für Ausländer auf der Grundlage der Förderbedingungen des Sprachverbandes sofort übernehmen soll. Der Sprachverband wurde aufgefordert, kurzfristig die nötigen Unterlagen an das Bundesamt zu übergeben. Eine bittere Pille für den Verband und die Kursträger, aber auch eine kaum nachvollziehbare Entscheidung vor dem Hintergrund, dass das Bundesamt gerade erst angefangen hat, die nötige Fachkompetenz aufzubauen.

Beim Blick über die Grenzen fällt übrigens auf, dass die europäischen Nachbarn in der Integrationspolitik derzeit munter voneinander kopieren. Das auf Eis gelegte Modell der Integrationskurse für Erwachsene weist bekanntlich Ähnlichkeiten mit dem niederländischen Modell auf. Nun hat im vergangenen Oktober auch die französische Regierung erklärt, ihre Integrationsbemühungen verstärken zu wollen. Geplant ist ein Dreisäulenmodell: berufliche Integration, sprachliche Integration und offensive Bekämpfung von Diskriminierung. Aus der Anerkennung eines „Rechts auf Sprache“ wird sich künftig ein Anspruch auf einen Integrationsvertrag ableiten lassen. Damit verbunden ist die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Sprach- und Orientierungskurs sowie an Maßnahmen zur beruflichen Integration. Anders als in Deutschland ist in Frankreich jedoch nicht die Rede von Teilnahmepflicht und Sanktionen; hier setzt man vielmehr auf Einsicht und Motivation der Betroffenen.