Rückenwind für angeklagten Professor Song

In Südkorea wegen Spionage für Pjöngjang angeklagter Deutsch-Koreaner wird von Zeugen entlastet

BERLIN taz ■ Der Prozess gegen den Münsteraner Soziologieprofessor Song Du-yul stand gestern im Zeichen der Verteidigung. Am 5. Verhandlungstag in Seoul sagten ein Journalist, zwei Professoren und der deutsche Publizist Rainer Werning zugunsten des 59-Jährigen aus. Song war im September nach 36 Jahren in deutschem Exil erstmals nach Südkorea zurückgekehrt. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft vor, ein hoher nordkoreanischer Kader zu sein und mit seiner Nordkoreaforschung gegen das rigide Nationale Sicherheitsgesetz des Südens verstoßen zu haben.

Wie Werning der taz berichtete, entlastete Professor Oh Gil-nam gestern Song. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor behauptet, Song hätte Oh überredet gehabt, nach Nordkorea überzusiedeln. Oh habe dies gestern aber dementiert. Werning selbst hatte 1988 mit Song und anderen das Buch „Südkorea: Kein Land für friedliche Spiele“ veröffentlicht. Laut Staatsanwaltschaft habe Song darin gegen die damaligen Olympischen Spiele in Seoul opponiert und damit dem Ansehen Südkoreas geschadet. Laut Werning sei aber deutlich geworden, dass die Staatsanwaltschaft das Buch nicht gelesen oder nicht verstanden habe.

„Die Argumentation der Staatsanwaltschaft brach zusammen“, sagte Werning. „Sie wird sich noch wünschen, das Verfahren möge schnell beendet sein.“ Optimistisch stimme ihn, dass auch die Medien, die Song mit ihrer Berichterstattung vorab verurteilt hätten, immer kleinlauter würden.

Der deutsche Prozessbeobachter der evangelischen Kirche, Jörg Baruth, berichtete der taz, dass sich bereits bei der vorherigen Verhandlung ein von der Staatsanwaltschaft präsentierter Belastungszeuge lächerlich gemacht habe. Er war geladen worden, um über Songs wissenschaftliche Methoden auszusagen, musste aber zugeben, dessen Werke kaum gelesen und das meiste aus der Vorverurteilung der Presse erfahren zu haben. Diese war von der in ihrem Antikommunismus kaum zu übertreffenden Staatsanwaltschaft gefüttert worden. „Die Staatsanwaltschaft hat ein Gerüst zusammengebastelt, das langsam zerbricht“, so Baruth. Zwar mache der Richter einen rechtsstaatlichen Eindruck, doch dass der Prozess überhaupt stattfinde, erinnere an die Zeit der Hexenverbrennung. Werning rechnet mit einem Urteil Mitte Februar.

Song hatte eine Mitgliedschaft in Nordkoreas Einheitspartei zugegeben und dies als Preis für die ihm ermöglichte Forschung bezeichnet. Er brachte Wissenschaftler aus Nord- und Süd zusammen und betrieb eine Entspannungspolitik, für die der spätere Präsident Kim Dae Jung den Friedensnobelpreis erhielt.

SVEN HANSEN