Essener CDU will deutsche Krankenhäuser

Die Junge Union in Essen ist dagegen, ÄrztInnen und Pflegepersonal türkisch lernen zu lassen. Türkischkurse schadeten der Integration. „Das Krankenbett ist nicht der Ort, PatientInnen pädagogisch zu behandeln“, sagen die Grünen

ESSEN taz ■ Die CDU in Essen will deutschsprachige Krankenzimmer. Die Kurse an der Universität Essen-Duisburg, „Türkisch am Krankenbett“ für MedizinerInnen sollen eingestellt werden. Sie seien „integrationsfeindlich“. Der Vorstoß kam zunächst von den jugendlichen Parteimitgliedern: Matthias Hauer, Kreisvorsitzender der Jungen Union in Essen, sagt: „Wenn Ärzte und Pfleger mit den Patienten türkisch sprechen, dann wird es noch leichter, im Alltag ohne die deutsche Sprache auszukommen.“ Deswegen sollten Stadt und das Land die Kurse stoppen und so der „Ausbreitung von Parallelgesellschaften vorbeugen.“

„Unser Angebot rettet Leben“, sagt die Leiterin der Türkisch-Kurse Rosemarie Neumann. Es gebe viele hochdramatische Situationen wie zum Beispiel Unfälle, in denen die Kommunikation überlebenswichtig sei. Die Forderung der Jungen Union hält sie für blanken Unsinn. „Nur weil sich PatientInnen verstanden fühlen, lehnen sie es nicht ab, ihrerseits deutsch zu lernen.“ Natürlich sei es für Türken und Türkinnen wichtig, sich verständigen zu können. „Das Erlernen der deutschen Sprache verhindert aber kein türkisch sprechendes Personal.“

MigrantInnen sind im Krankenhaus oft aufgeschmissen: Sie können ihre Symptome nur ungenügend auf deutsch erklären, MedizinerInnen können ihre Therapie eben so wenig auf türkisch verständlich machen. Deshalb gibt es an der Uni Essen-Duisburg seit 20 Jahren ein in Nordrhein-Westfalen einzigartiges Projekt: In den Kursen „Türkisch am Krankenbett“ lernen ÄrztInnen und PflegerInnen, Hebammen und SozialarbeiterInnen in Intensivkursen am Wochenende türkisch. Die kostenlosen Kurse sind immer ausgebucht, oft müssen Interessierte abgewiesen werden.

JU-ler Hauer ist mit seiner Forderung nach einem Ende der Kurse dennoch nicht alleine: Norbert Solberg, Geschäftsführer der Essener CDU, findet den Vorstoß richtig. „Wenn sie in Russland am Blinddarm operiert werden, spricht auch niemand deutsch mit ihnen.“ Natürlich nutze es kurzfristig, wenn „alle Welt aramäisch, hebräisch oder russisch“ spreche. Aber dann glaubten ja alle, sie müssten nichts mehr lernen. „Langfristig müssen die Türken selber den Drive haben, deutsch zu lernen.“ Jeder, der hier wohne, müsse deutsch sprechen, damit das Leben ordentlich vonstatten gehe. Solberg sieht keine Hindernisse für MigrantInnen, seine Muttersprache zu lernen. „Wer sich bemüht, kann das auch.“

Die Essener Grünen sehen das anders. Die bewährten Uni-Kurse würden die Integration fördern und ermöglichten erst das Erlernen der deutschen Sprache, sagt Fraktionssprecherin Hiltrud Schmutzler-Jäger. Außerdem „ist das Krankenhaus nicht der Ort für pädagogische Lektionen.“ „Man muss Augen und Ohren schon sehr fest verschließen, um so eine Forderung aufzustellen.“ Die Junge Union sei ignorant und wirklichkeitsfern, so Schmutzler-Jäger.

Die Sprachspezialisten von der Jungen Union müssen sich allerdings selbst noch integrieren: In ihrer Pressemitteilung sagen sie: „Das Beherrschen unserer Sprache stellt oftmals das größte Integrationshemmnis dar.“ Gemeint ist das Gegenteil.

ANNIKA JOERES