Die Angst kommt mit ins Büro

Angst ist das Thema eines Projekts im Kulturensemble im Park – am Samstag ging es um die Sorgen auf der Arbeit

„Erzählcafé“ heißt eine aktuelle Reihe des Kulturensembles im Park, und weil der Veranstaltungsort auf dem Gelände des Klinikums Bremen-Ost liegt, ahnt man schon, dass hier nicht über den letzten Urlaub oder das nächste Werder-Heimspiel geplaudert wird. Stattdessen sitzen dort drei Menschen vor Publikum und erzählen von ihren Ängsten – „am Arbeitsplatz, um den Arbeitsplatz“, so lautet das Thema am Samstagabend, der Teil einer Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe über Angst ist.

Einer der Erzähler ist Holger Heide. Selbstsicher wirkt der emeritierte Professor der Wirtschaftswissenschaften, so dass seine Worte nicht ganz passen wollen. Er berichtet, wie er 1992 nicht mehr verdrängen konnte, dass er Angst hat. Vor der eigenen Unzulänglichkeit. „Heute weiß ich, dass vieles in meinem Leben von Angst bestimmt ist“, sagt er, aber am Arbeitsplatz wurde sie damals sichtbar. In den Semesterferien hatte er für die Universität Bremen ein Projekt planen sollen. „Ich habe es einfach nicht gemacht“, erinnert sich Heide. Weil Studierende sich schon eingeschrieben hatten, Kollegen mitwirken sollten, flüchtet Heide, lässt sich krank schreiben. Ein Arzt empfiehlt ihm, in eine Suchtklinik zu gehen. „Ich war erst mal erstaunt, weil ich kein Alkoholiker war und keine Drogen genommen habe.“ Die Diagnose lautete Arbeitssucht. Während der dreimonatigen therapeutischen Behandlung lässt er seine Angst erstmals zu, auch die davor, vielleicht nicht mehr weiterarbeiten zu können. Schließlich kehrt er doch zurück und macht die Arbeitssucht zum Forschungsschwerpunkt. „Die Angst ist nicht vernichtbar, es bleibt nur mit ihr umzugehen“, sagt er.

Neben Heide sitzt Roland Klopsch. 20 Jahre hat er als Architekt gearbeitet, im eigenen Büro mit Millionenaufträgen und mehreren Angestellten. Heute ist Klopsch insolvent und Hartz-IV-Empfänger. „Ich fühle mich jetzt sehr wohl“, sagt er. Als selbständiger Architekt habe er nie mehr als eine Woche Urlaub gehabt und meistens zehn bis zwölf Stunden täglich gearbeitet. Nun genieße er es, sich einfach mal einen Tag mit einem Buch in den Park setzen zu können. Mittlerweile arbeitet er zwar wieder, hat einen 400-Euro-Job, doch dieser belaste ihn nicht so sehr. „Da habe ich diesen Druck nicht mehr, mich darum zu kümmern, dass Aufträge reinkommen und keine Verantwortung für die Angestellten mehr“, erzählt er. Die größte Angst habe er allerdings gehabt, als es die Entscheidung für die Insolvenz zu treffen galt. „Ich konnte nächtelang nicht schlafen und hatte richtigen Bammel“, erinnert er sich.

Dass auf dem Podium dennoch recht privilegierte Menschen sitzen – die dritte im Bunde ist eine Verwaltungsbeamtin – sei eine bewusste Entscheidung, sagt der Veranstalter Stephan Uhlig. „Wir haben nicht Menschen ausgewählt, die entfremdete Arbeit machen, sondern es ging uns um die enge Verzahnung von Freiheit, Sinn, Angst und Arbeit.“ JANA WAGNER

„Fragile Welten – ein Projekt über Angst“, Ausstellung bis 30. November, Galerie im Park, Klinikum Ost. Erzählcafé über „Angst vor dem Sterben“: 15. November, 16 Uhr, Café im Park