Gute Fotos, schlechte Fotos

Die interplanetarische Seifenoper um die schönsten Marsbilder hat wahrscheinlich einen wichtigen Akteur verloren: das Landegerät „Beagle-2“. Ärgerlich, aber nicht schlimm für die Wissenschaft

VON KENO VERSECK

Den Unterschied zwischen Glanz und Elend machen lediglich ein paar Fotografien aus, gut bearbeitet und zusammenmontiert. Die eben noch unglücksgeplagte US-Raumfahrtagentur Nasa schickt der Welt Postkarten vom Mars und sonnt sich in ihrem sagenhaften Erfolg. Die europäische Raumfahrtagentur ESA hat ihr Landegerät „Beagle-2“ höchstwahrscheinlich verloren und steht vor der Öffentlichkeit als Versagerin da. Eine kleine interplanetarische Seifenoper.

Die Raumfahrt, zumal die US-amerikanische, steckt längst in der Zwangsjacke eines medialen Erfolgs-, Effizienz- und Wettbewerbsdenkens. Es sind schöne und interessante Aufnahmen von der Mars-Oberfläche, die die Nasa da zeigt. Gestochen scharf und durchaus etwas anders als alle bisherige Aufnahmen von Orten auf dem Mars, an denen Landegeräte niedergingen. Sensationell anders sind sie sicher nicht. Und ihr wissenschaftlicher Wert ist im Vergleich zum eigentlichen Wissenschaftsunternehmen, das mit der Landung des Roboterfahrzeuges auf dem Mars verbunden ist, eher gering. Das wissen auch alle Beteiligten bei der Nasa.

Die ESA möchte trotzdem mithalten. Und damit beginnt die Geschichte des möglichen Verlustes von „Beagle-2“, dem Landegerät, das die PR-Strategen der ESA als mediales Rüstzeug der europäischen Marsmission im Sinn hatten. Ursprünglich war die Mission Mars Express als Folge einer 1996 schon beim Start gescheiterten russisch-europäischen Marsmission angesetzt worden – ohne Landegerät. Ein illustrer britischer Wissenschaftler überzeugte erst Raumfahrtfunktionäre im eigenen Land, dann auch diejenigen der ESA, ein Landegerät einzubauen, mit dem nach Spuren von früherem Leben gesucht werden sollte. Warum nicht, mögen sich die Verantwortlichen nach dem überwältigenden Erfolg der Nasa-Pathfinder-Mission 1997 gedacht haben – einer Mission, bei der das Minifahrzeug „Sojourner“ viel Technologie ausprobierte und gute Public Relations einbrachte, aber wenig für die Wissenschaft.

Für „Beagle-2“ fehlte von Anfang an das Geld. Es wurde eher schlecht als recht in Großbritannien zusammengekratzt. Essenzielle Teile wie ein Schutzschild für den Eintritt in die Marsatmosphäre oder Fallschirme und Airbags konnten daher nur in vereinfachter Form gebaut werden, mussten nach fehlerhaftem Entwurf binnen Wochen neu konzipiert werden oder wurden schlicht nicht getestet. Ein hohes Risiko für das lediglich sechsminütige Landemanöver, bei dem alle Systeme auf die Sekunde genau funktionieren und zudem noch die Wetterbedingungen mitspielen mussten.

Statt mit Finanz-, Planungs- und Testsicherheit ging die ESA mit „Beagle-2“-Schnickschnack hausieren: mit dem Empfangssignal nach einer erfolgreichen Landung zum Beispiel – ein paar von der Popgruppe Blur komponierte Klingelingtakte. Zeitweise war sogar der Rennwagenhersteller Ferrari als Sponsor von „Beagle-2“ im Gespräch, der seine rote Farbe gern zum Roten Planeten geschickt hätte.

So seltsam die Vorgeschichte des europäischen Marslandegerätes verlief, so ärgerlich und bedauernswert ist sein wahrscheinlicher Verlust. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. „Beagle-2“ hat knapp ein Fünftel der gesamten Missionskosten von 330 Millionen Euro gekostet. Auf ein Fünftel beziffern auch Wissenschaftler seinen Anteil an den gesamten wissenschaftlichen Experimenten der Mission. Das autoreifengroße, bewegungsunfähige Gerät hätte Bodenproben nehmen und analysieren, die Bestandteile der Atmosphäre bestimmen und eben: schöne Aufnahmen vom Landeort machen sollen. Ein direktes biologisches Experiment war nicht vorgesehen – für mikrobiologisches Leben hätte „Beagle-2“ allenfalls Indizien finden können.

Für Wissenschaftler weitaus Gewinn bringender werden die Daten sein, die der Mars Express aus seiner Umlaufbahn an die Erde funken wird. Darunter: die Aufnahmen der Marsoberfläche in bisher unerreichter Auflösung, die Struktur seiner äußeren Kruste bis in fünf Kilometer Tiefe und die Zusammensetzung seiner Atmosphäre.

Für die nächsten Marsmissionen werden Fotos womöglich schon nicht mehr reichen. Vielleicht werden die Raumfahrtagenturen wieder Mikrofone mitnehmen, nachdem dies 1999 beim abgestürzten Polar-Lander der Nasa nicht geklappt hat. Es wäre interessant zu wissen, ob die Sandstürme auf dem Mars schrill zischen oder blechern toben. Vielleicht könnte man einen Rundflug über das Grabensystem Valles marineris buchen. Oder einen interaktiven Aufstieg zum Olympus Mons, dem größten Vulkan des Sonnensystems.