Die Ostsee soll besser geschützt werden

Skandinavische Länder wollen besonders empfindliche Meereszonen ausweisen und einwandige Tanker verbieten

STOCKHOLM taz ■ Die Regierungen der skandinavischen Länder wollen die Ostsee schützen: Im März werden sie bei der internationalen UN-Seefahrtsbehörde IMO einen Antrag stellen, die gesamte Ostsee sowie die Meeresgebiete des dänischen Großen und Kleinen Belts und des Öresund als „besonders empfindliche Meerzonen“ klassifizieren zu lassen. Diese so genannte PSSA-Klassifizierung – kurz für Particularly Sensitive Sea Area – würde den Ostseeanrainerstaaten erlauben, schärfere Bestimmungen für den Schiffsverkehr festzulegen.

„Die Zwischenfälle mit Tankern in der letzten Zeit und das stark angestiegene Transportvolumen in der Ostsee machen einen solchen Schritt überfällig“, begründet Schwedens Umweltministerin Lena Sommestad die Initiative: „Wir wollen nun auf politischem Wege versuchen, auch die anderen Anrainerstaaten für unseren Schritt zu gewinnen.“ Laut Sommestad bekunden sowohl Deutschland und Polen als auch die baltischen Staaten, dass eine solche Klassifizierung notwendig sei. Allein Russland zeige sich uneinsichtig. Man wolle deshalb nun auch die EU-Kommission einschalten, um politischen Druck auf Moskau auszuüben.

Nicht nur wegen der „Prestige“-Katastrophe – der Tanker befuhr auch die Ostsee mehrfach – und der wiederholten Tankerzwischenfällen der letzten Zeit haben die Befürchtungen in Finnland jetzt noch einmal zugenommen. Die Ostsee erlebt derzeit den strengsten Eiswinter seit Jahrzehnten. Das Meeresgebiet zwischen Finnland, Estland und Russland ist seit Wochen auf einer Länge von über 300 Kilometern vollständig zugefroren. Finnland lässt nur noch „eisklassifizierte“ Schiffe seine Häfen anlaufen. Nicht so Russland. Dort ist es einwandigen und nicht eisverstärkten Tanker auch bei den herrschenden Packeisverhältnissen noch immer erlaubt, Öl vom nahe St. Petersburg gelegenen Hafen Primorsk zu transportieren.

Solche Tanker bezeichnet der finnische Schifffahrtsinspekteur Markku Mylly als „Sommertanker“, die für tropische Gewässer gebaut worden seien und in der Ostsee jetzt absolut nichts verloren hätten. Denn wenn ein beladener Tanker im Eis stecken bleibt, können die Seitenwände von den Packeismassen eingedrückt werden. Weil die Tanker wesentlich breiter sind als die von Eisbrechern gebrochene Fahrrinne, kann das trotz Eisbrecherunterstützung leicht passieren. Von ihrer Konstruktion her sind sie für derartigen Eisdruck nicht gebaut. Eine Ölleckage im Eis könnte dann unübersehbare Konsequenzen für die Umwelt haben.

Der bisherige Zeitplan, Tanker mit Einfachrumpf erst ab 2015 zu verbieten, wird von den nordischen Ostseeanrainerstaaten als nicht weitgehend genug angesehen. Sie verweisen darauf, dass sich die Öltransporte in der Ostsee seit 1995 mehr als verdoppelt haben und sich nun jährlich der 100-Millionen-Tonnen-Grenze nähern. Bis 2015 wird sogar mit einer Verdreifachung gerechnet.

In der Ostsee als relativ flachem Binnenmeer, in welcher das Wasser nur sehr langsam ausgetauscht wird, wäre ein Ölunfall besonders katastrophal. Eine PSSA-Klassifizierung könnte es möglich machen, Doppelrumpf zumindest ab einer gewissen Schiffsgröße und einer bestimmten Ladung schon jetzt zur Pflicht zu machen. Auch verschärfte Bestimmungen für den Eisverkehr und eine Lotsenpflicht für die gesamte Ostsee wären dann möglich.

REINHARD WOLFF