„Lebenslänglich“ für Hildesheimerin Babymorde

Höchststrafe für 28-Jährige, die ihre beiden Kinder kurz nach der Geburt tötete, ist umstritten. Anwältin will in Revision

BERLIN taz/dpa ■ Das Landgericht Hildesheim verurteilte gestern die wegen Mordes angeklagte 28 Jahre alte Nicole D. zu lebenslanger Haft. Damit entsprach das Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft, die Nicole D. des „Mordes aus niederen Beweggründen“ beschuldigt hatte.

Die Studentin Nicole D. saß bei Urteilsverkündung völlig starr im Schwurgerichtssaal und zeigte keine Regung. Die Frau hatte in den Jahren 2001 und 2002 ihre beiden Söhne Linus und Kevin in Krankenhäusern zur Welt gebracht. Kurz nach der Geburt erstickte sie dann die Säuglinge zu Hause mit einem Kissen und warf sie in den Müll. Vermutlich verbrannten die Leichen in einer Müllverbrennungsanlage. Nur die hellblauen Bändchen für die Handgelenke der Babys, auf denen Name, Gewicht und Kopfumfang notiert sind, existieren noch.

Den ersten Säugling tötete die 28-Jährige, weil er durch eine Vergewaltigung gezeugt wurde. „Ich wollte nichts mehr damit zu tun haben“, begründete die Angeklagte diese Tat. Das zweite Kind erstickte Nicole D. dann aus Angst, dass ihr 53 Jahre alter Lebenspartner, ein Hotelier, die Beziehung wegen des Kindes beenden würde.

Der Vorsitzende Richter Ulrich Pohl sagte, die Angeklagte habe während der Verhandlung kein Mitleid mit den Kindern gezeigt. Sie habe die Kinder auf schändliche Weise beseitigt. Eine Tat im Affekt hielt das Gericht für „vollkommen abwegig“. Pohl sagte: „Es hat nur wenige so aufwühlende Fälle in meinen 28 Berufsjahren gegeben.“

Beide Schwangerschaften hatte die Studentin geheim gehalten. So erzählte Nicole D. ihrem Lebenspartner, sie leide an einem Gehirntumor, gegen den sie starke Medikamente nehmen müsse. Diese hätten ihren Bauch aufgebläht.

Die Verteidigerin Helga Rischmüller-Pörtner bezeichnete das Urteil als „außergewöhnlich hart“. Ihre Mandantin sei „nach dem Urteilsspruch völlig fassungslos“. Rischmüller-Pörtner hatte die Tat vor der Schwurgerichtskammer als Totschlag in minder schwerem Fall gewertet. Zwei Gutachter hätten bestätigt, dass Nicole D. „in hohem Maße von anderen Personen abhängig ist“. Die Studentin habe sich in einer psychischen Ausnahmesituation befunden, meinten die Gutachter. Daher, so die Verteidigerin, sei die Begründung des Gerichts für den Schuldspruch fragwürdig. „Wir werden gegen das Urteil deshalb Revision beim Bundesgerichtshof einlegen“, kündigte die Anwältin kurz nach Prozessende in einem Gespräch mit der taz an. SEAD