Sozialisten sagen die Revolution ab

Gabi Zimmer legt einen Entwurf für ein neues Parteiprogramm der PDS vor. Neu: Privateigentum und Gewinnstreben sind gut, nur „Profitdominanz“ ist schlecht. Autoren verstehen Sozialismus „nicht als Ordnung, sondern als Prozess“. Lob von Reformern

aus Berlin ROBIN ALEXANDER

Gabi Zimmer versucht, die Flügelkämpfe in der PDS zu beenden und die so genannten „Reformer“ wieder stärker einzubinden. Gestern stellte die Vorsitzende einen Entwurf für ein neuen Parteiprogramm vor. „Privateigentum und freies Unternehmertum“ werden darin nicht abgelehnt, lediglich die „Dominanz des Profitstrebens“ verurteilt. Die DDR wird deutlich kritisiert und auch die Idee eines Staatssozialismus abgelehnt.

Den lange schwelenden Konflikt in der Programmkommission der PDS entschied Zimmer schon unmittelbar nach ihrer Wiederwahl auf dem Parteitag in Gera. Dabei stärkte sie die Autorität der Autoren André Brie, Dieter Klein und anderer gegen Widerspruch von Vertretern, die noch in Gera für Zimmers bisherige Linie gestimmt hatten. Zimmers Schwenk ist radikal. Die von ihr geprägten Begriffe der „gestaltenden Opposition“, der „anderen Form politischer Kultur“ und die Idee eines „Mitte-unten-Bündnisses“ finden sich im Entwurf nicht. Auf Nachfrage sagte sie, die „gestaltende Opposition“ sei „nicht vom Tisch“, aber der Begriff habe „vielleicht etwas verwischt“. In der Debatte könne ihre Idee dennoch eine Rolle spielen: „Vielleicht finden wir noch eine Formulierung, die das aufnimmt.“ Zimmer betonte, sie habe vorab die Unterstützung von Landesvorsitzenden und Fraktionschefs aller ostdeutschen Landesverbände eingeholt.

André Brie, Europaabgeordneter und langjähriger Vordenker in der PDS, erklärte, dem Entwurf sei „konsequent die heutige Gesellschaft zugrunde gelegt“. Er verstehe sich als „sozialistischer Beitrag zum großen gesellschaftlichen Diskurs“. Eine Festlegung für oder gegen Bündnisse mit der SPD gibt es in dem Programmentwurf nicht. Dies entspricht der von Zimmer seit langem verfochtenen Linie. Gefragt, woran bei diesem Sozialismuskonzept der Unterschied zu einem regulierten Kapitalismus bestehe, antwortet Brie: „Anders als ein sozial verwalteteter Kapitalismus, stellen wir die Frage nach den Eigentumsverhältnissen.“ Konkret steht im Programmentwurf, die „Alternative zum kapitalistischen Eigentum“ bestehe „nicht im allumfassenden Staatseigentum“ und „jede Eigentumsform, die die natürlichen, sozialen und kulturellen Lebensgrundlagen entwickelt und den Zugang zu den Grundbedingungen menschlichen Lebens erleichtert, sollte gefördert werden.“ Sozialismus, so die Programmautoren, verstünden sie „nicht als Ordnung, sondern als Prozess“.

Ein großer Teil des Entwurfs befasst sich mit konkreten Politikfeldern. Dieser soll sogar noch erweitert werden und „in die Diskussion gegeben werden.“ Das neue Programm soll im Oktober verabschiedet werden. Bei der Vorstellung des Entwurfs versuchte sich der ehemalige SED-Reformer Dieter Klein als Spindoctor: „Die mediale Deutung von Gera war, dass wir uns in eine linke Ecke zurückziehen – raus aus der Politik. Mit diesem Programm ist diese Deutung nicht mehr möglich.“

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