„Mit dem Mördervolk muß aufgeräumt werden“

Die Serie der Gräueltaten des 20. Jahrhunderts begann am 12. Januar 1904 mit dem Völkermord an den Herero, die sich gegen die Kolonialherrschaft im damaligen Deutsch-Südwestafrika auflehnten. Wie kaum ein anderes Presseorgan hat die „Kölnische Zeitung“ den Feldzug publizistisch „begleitet“

von BIRGIT PELTZER

Nur wenige Tage nachdem am 12. Januar der Aufstand der Herero gegen die deutsche Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika begann, stellt die Kölnische Zeitung in ihrer Ausgabe vom 23. Januar 1904 ihren Lesern die Volksgruppe so vor: „Ihrer geistigen Veranlagung nach sind die Ovaherero, wie aus ihrer Geriebenheit im Handel hervorgeht, nicht unbegabt. Aber alle Kenner des Volkes (...) sind sich darüber einig, dass sie lügnerisch, bettelhaft, diebisch und betrügerisch sind. Feige und einem festen Willen gegenüber unterwürfig, zeigen sie Rohheit und Grausamkeit, namentlich da, wo sie, in Mehrzahl auftretend, die Macht haben. (...) Der deutschen Verwaltung, die ihnen vor den Erpressungen und Viehräubereien der Hottentotten Ruhe verschafft hat, sind sie großen Dank schuldig.“

Wie kaum eine andere Publikation im Kaiserreich hat die Kölnische Zeitung den deutschen Völkermord an den Herero propagandistisch „begleitet“. Sie war damals die führende Tageszeitung in Köln und Vorgängerin des heutigen Kölner Stadt-Anzeigers, der 1949 gegründet wurde und seit 1962 den Schriftzug „Kölnische Zeitung“ im Untertitel führt.

Nur mit Waffengewalt

Wie heute war das Verlagshaus DuMont Schauberg auch zu jener Zeit ein wichtiger Meinungsmacher in der Domstadt. In dem 1989 im DuMont Verlag erschienenen Buch „Das Comeback einer Zeitung“ heißt es, die Jahre zwischen 1884 und dem Ersten Weltkrieg seien die „Glanzzeit“ der Zeitung gewesen. „Wie nur wenige Publikationen hatte die Kölnische Zeitung Geschichte nicht nur begleitet, sondern auch gemacht.“

Hundert Jahre nach dem Völkermord an den Herero und Nama (Hottentotten) ist es aufschlussreich nachzulesen, wie die Kölnische Zeitung den Aufstand gegen das Kolonialregime publizistisch begleitete. So heißt es am 19. 1. 1904: „ ... So tief bedauerlich der Aufstand ist, so kann man ihn doch nur unter die kleineren Ereignisse rechnen, die eine Großmacht wie Deutschland nicht aus dem Gleichgewicht bringen und keine überschäumenden patriotischen Kundgebungen erfordern. Es versteht sich von selbst, dass der Aufstand mit allem Nachdruck niedergeworfen werden muss, eine große nationale Erregung kann aber für größere Ereignisse aufgespart bleiben.“

Als die Aufständischen nach einigen Wochen immer noch nicht besiegt sind, melden andere Zeitungen, dass der deutsche Gouverneur in Südwestafrika, Theodor Leutwein, mit den Herero Verhandlungen aufnehmen will, um zu einer friedlichen Lösung zu kommen. Dazu die Kölnische Zeitung am 8. März 1904: „Friedensverhandlungen im jetzigen Augenblick würden den Aufständischen einen Schein des Rechtes für ihre Mordtaten zubilligen und die unbedingt notwendigen Folgen dieses Krieges: Entwaffnung der Eingeborenen, Landabnahme und Bestrafung durch Viehwegnahme fast unmöglich machen. Humanität da, wo sie am Platze ist; vorläufig gilt der Krieg und sein hartes Recht, vorläufig verlangt die nationale Ehre und die Zukunft unserer Kolonie: Bestrafung und Niederwerfung der Aufständischen durch Waffengewalt und die Überlegenheit des weißen Mannes, nicht aber durch Friedensverhandlungen, die die Meuterer als Kriegführende Partei anerkennen würden.“

Die Zitate sind 100 Jahre alt, dennoch waren Herausgeber und Redakteure erstaunlich modern. Sie schlugen schon damals die heute bei dem Führer einer Weltmacht populäre Strategie des Präventivkrieges vor. Obwohl der Aufstand in der deutschen Kolonie nur vom Volk der Herero ausgeht, während das Volk der Ovambo ruhig geblieben ist, lässt die Kölnische Zeitung am 24. Februar 1904 einen „Experten“ für einen Krieg auch gegen die Ovambo plädieren: „... Die Klugheit erfordert also, uns jetzt auch gleich mit den Ovambo klar und deutlich auseinanderzusetzen. (...) Die Entwaffnung der Ovambo ist im Interesse des ganzen Nordens unserer Kolonie und der Möglichkeit der wirtschaftlichen Entwicklung unbedingt erforderlich, und außerdem ist der Augenblick zur ausgiebigen Schaffung von Kronland jetzt günstig. ... Friedliche Kolonialpolitik ist ein Ideal, das bisher noch kein Volk erreicht hat. Ohne Benutzung der Waffen ist noch niemand davongekommen.“

Große Teile der SPD lehnen seit Ende des 19. Jahrhunderts die Kolonialpolitik prinzipiell ab. Andere Parteien lehnen die Kolonien ab, weil sie sie für zu teuer halten. Dagegen verspricht man sich in der katholischen Zentrumspartei von der Kolonialisierung zunächst die Verbesserung der Lebensverhältnisse der „Eingeborenen“ und die Abschaffung der Sklaverei. Die Herausgeber der Kölnischen Zeitung hingegen gehören zu der Fraktion, die Kolonien um jeden Preis wünscht, egal welche Auswirkungen die Kolonialpolitik auf die Bevölkerung hat.

Während andere darum streiten, wie die Interessen von Europäern und Afrikanern zu vereinbaren seien, heißt es im Korrespondentenbericht vom 6. Juli 1904: „Daß ein allgemeiner Kampf der Schwarzen gegen die Weißen einmal in der Zukunft kommen wird und muss, habe ich schon früher ausführlich erörtert. Es ist dies nicht nur eine soziale, sondern auch eine Rassenfrage der Zukunft, die nur mit den Waffen in der Hand ausgetragen werden kann.“

Damit liegt das Blatt genau auf der Linie General Lothar von Trothas, der im Frühsommer 1904 zum obersten Militärbefehlshaber in Deutsch-Südwestafrika ernannt wurde. Seine Ernennung bedeutet eine Brutalisierung der deutschen Politik in der Kolonie. Von Trotha hatte gesagt: „Die aufständischen Stämme werden mit Strömen von Blut untergehen, ein Krieg in Afrika lässt sich nun mal nicht nach den Gesetzen der Genfer Konvention führen.“

Unverhohlener Rassismus

Nach der entscheidenden Schlacht am Waterberg vom 11./12. August 1904, in der die Herero geschlagen wurden, schreibt die Kölnische Zeitung am 17. August, wie sie sich das weitere Vorgehen vorstellt: „Mit dem Mördervolk der Herero (...) muß aufgeräumt werden. (...) Es ist ihnen alles Land und Vieh zu nehmen, um damit die geschädigten (deutschen) Ansiedler zu entschädigen. (...) Eine Stammesorganisation darf bei den Herero nicht mehr geduldet werden (...). Erweist sich die Zahl der übrig gebliebenen Hereroweiber als zu groß für den jetzigen Stamm, so überweise man den (mit ihnen verfeindeten ) treu gebliebenen Bergdamara eine Anzahl davon. (...) Diejenigen Herero aber, die bei gemeinnützigen Arbeiten nicht verwendet werden können, verweise man (...) den Farmern. Aber wo sie auch immer beschäftigt werden, sei es nur gegen Nahrung und Unterkunft, ohne Lohn und ohne Kleider, Tabak und sonstige Genussmittel. Dass man die Führer des Aufstands kurzweg henkt, dürfen wir mit Bestimmtheit erwarten.“

Der unverhohlene Rassismus, der sich in den Beiträgen der Kölnischen Zeitung zeigt, ist zwar im Deutschland von 1904 keineswegs selten, aber auch nicht selbstverständlich. Vielmehr bekämpft die Kölnische Zeitung diejenigen in Deutschland, die für einen anderen Umgang mit den Afrikanern plädieren. So mokiert sich das Blatt in seiner Ausgabe vom 31. Januar 1905 über den Fraktionsvorsitzenden der SPD im Reichstag, August Bebel, der in seiner Rede vom gerechtfertigten Befreiungskampf der einheimischen Völker gesprochen hatte: „Er (Bebel) gefiel sich in der Rolle eines Herero-Anwalts, der bei ihnen alle Grausamkeiten gegen wehrlose Farmer und deren Angehörige zu entschuldigen suchte.“

„Hottentotten-Wahlen“

Nach der Schlacht am Waterberg werden Konzentrationslager für gefangene Herero errichtet, in denen diese zu tausenden sterben. Nach dem offiziellen Bericht „starben 45,2 % der Gefangenen in diesen Lagern“. Missionare wenden sich deshalb an die deutsche Öffentlichkeit und erbitten eine Änderung der Behandlungsweise. Von den Missionaren hält die Kölnische Zeitung jedoch nicht viel, wie aus einem Artikel vom 10. Januar 1905 hervorgeht: „Unsere Missionare werden nun hoffentlich durch die Herero, die Hottentotten und die Baininger belehrt worden sein, dass es in allererster Linie Grundsatz bleiben muss, an der Überlegenheit der weißen Rasse in jeder Beziehung (...) festzuhalten. (...) Aber noch stehen die Missionare in der Erkenntnis des Charakters des Farbigen und der unüberbrückbaren Rassengegensätze abseits.“

Zwar sind die Herero am Waterberg entscheidend geschlagen worden, aber angesichts der unmenschlichen Behandlung gelangen die Nama (Hottentotten) zu der Erkenntnis, dass es den Deutschen nicht nur um die Vernichtung der Herero, sondern um die Vernichtung aller Afrikaner geht. Sie beginnen deshalb ebenfalls mit dem bewaffneten Widerstand, im Unterschied zu den Herero allerdings in Form eines Guerillakrieges. Dadurch ist es den deutschen Truppen nicht so einfach möglich, sie zu bekämpfen. Der Krieg zieht sich einige Jahre in die Länge und wird immer stärker zu einem beherrschenden Thema im Reichstag und in der Öffentlichkeit. Schließlich werden 1907 wegen der Kolonialpolitik der Reichstag aufgelöst und vorgezogene Neuwahlen („Hottentotten-Wahlen“) angesetzt.

Obwohl die Kölnische Zeitung eine weit verbreitete Tageszeitung ist, folgen die Wähler in Köln ihrem Aufruf, nationalliberal zu wählen, genauso wenig wie der Rest der Rheinländer. In Köln werden 1907 nur Kolonialgegner als Abgeordnete in den Reichstag gewählt. Deutschlandweit erhalten die Gegner der bisherigen Kolonialpolitik (SPD, Zentrum und Polen) 54 Prozent der Stimmen, aufgrund des Mehrheitswahlrechts allerdings nur eine Minderheit der Sitze und bleiben deshalb in der Opposition.

Siehe auch den überregionalen Teil auf den Seiten 3, 4 und 5