Im weitesten Sinne mildtätig

Das bremische Lotteriegesetz soll nun doch nicht reformiert werden, wie Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) das eigentlich geplant hatte. Im Juni sollen die Wettmittel innerhalb des neuen Haushalts mit verarztet werden

In Zukunft hängt es vom Gutdünken eines Senators ab, ob die Deputierten mit der Vergabe der Mittel befasst werden

Bremen taz ■ Gut 10 Millionen Euro hat das Land Bremen im vergangenen Jahr von den Spiel-77- und Lotto-Spielern abgezwackt und für Projekte in den Bereichen Umwelt, Kultur, Jugend, Bildung und Sport eingesetzt. Das sind im Angesicht des gesamtbremischen Haushalts mit über vier Milliarden Euro Ausgaben jährlich zwar Peanuts, aber die Wettmittel berühren vielerlei Interessen.

Ursprünglich waren diese Millionen nach einem exakten Proporz-Schlüssel in den einzelnen Ressorts für „zusätzliche“ Projekte vorgesehen, die nach dem bremischen Lotteriegesetz auch noch „mildtätig oder gemeinnützig“ sein sollen. In Wahrheit läuft die Chose längst anders. In vielen Ressorts, wie zum Beispiel dem Kulturressort, werden aus dem Wettmitteltopf längst so genannte Regelausgaben finanziert. Sie polstern dort Lücken aus, die etwa durch den Wegfall von ABM-Stellen entstanden sind. Im Sozial- und Jugendressort firmieren sie teils gar als „Haushaltsergänzungsmittel“. Das widerspricht zwar dem Gesetz, aber angesichts immer neuer Sparquoten in den vergangenen zehn Jahren, unter denen insbesondere die Projekte und Initiativen zu leiden hatten, wurden Leerstellen gerne mit diesen Wettmitteln aufgefüllt.

Um den Widerspruch zwischen Gesetz und Wirklichkeit aufzuheben, plante Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) eine Gesetzesänderung. In Zukunft sollten die Mittel in die regulären Haushalte der Fachressorts eingearbeitet werden – der Sondertopf Wettmittel wäre dann gestorben. Damit hätte sich aber auch die Mitbestimmung der Abgeordneten erledigt, die bislang in den Deputationen über die Verwendung der Lottogelder bestimmten. Nur im Einvernehmen mit der Deputation, und das heißt: auch mit der Opposition, durften diese Mittel bislang verteilt werden.

Folgerichtig regt sich zur Neuregelung Widerstand bei den Abgeordneten: „Sicher würde der Senat das Geld gerne für sich vereinnahmen“, mutmaßt JoachimSchuster, Umweltdeputierter der SPD, „aber die Abgeordneten werden sich ihr Mitbestimmungsrecht hier nicht nehmen lassen“. Immerhin, so Schuster, sei die Verteilung der Wettmittel „eine der wenigen Gelegenheiten, wo wir Parlamentarier mal was Positives verkünden können“. Auch die Haushaltsexpertin Cornelia Wiedemeyer (SPD) weiß: „Die Deputierten werden auf ihr Recht pochen.“

Die grüne Opposition hat darüber hinaus ein besonderes Interesse. „Wir haben starke Rechte bei den Wettmitteln und null Einflussmöglichkeiten beim Haushalt“, so Fraktionschefin Karoline Linnert. Auch bei einer Neuregelung müssten diese Rechte der Opposition gewahrt werden. Gleichzeitig hielte sie es für sinnvoll, dass sich die Parlamentarier detaillierter mit dem Gesamthaushalt beschäftigen, anstatt in der Bürgerschaft die großen Posten durchzuwinken, in den Deputationen aber um kleine Beträge zu feilschen.

Der Senat hat jedenfalls zwischenzeitlich entschieden, dass es keine Änderung des Lotteriegesetzes geben wird. Bis zur Haushaltsverabschiedung im Frühsommer gelten demnach die alten Regeln, dann werden die Wettmittel tatsächlich in die Eckwerte der einzelnen Ressorts eingearbeitet, wenn diese im Juni vom Parlament verabschiedet werden – die Zweckbindung für Gemeinnütziges und Mildtätiges soll weiter und im weitesten Sinne gelten.

Was sich damit ändert? In Zukunft hängt es vom Gutdünken des jeweiligen Senators ab, ob mit der Vergabe der Mittel weiterhin die Deputierten befasst werden. Bisher gibt es noch keine Absichtserklärungen seitens der betroffenen Ressorts, die Abgeordneten aus dem Entscheidungsprozess herauszukegeln. Umweltsenator Jens Eckhoff (CDU) etwa will den Topf weiterhin in der Deputation zur Debatte stellen. Allerdings wünscht er sich eine stärker als bisher auf „Innovationen“ ausgerichtete Förderung. Entsprechend sollen die aus Wettmitteln geförderten Projekte „degressiv“, also abnehmend gefördert werden. Peter Müller vom BUND hält davon nicht viel. „Das ist ein Ansatz, der den in der Wirtschaftsförderung üblichen Instrumenten nahe kommt, aber auf die Non-Profit-Organisationen im Umweltschutz so nicht übertragbar ist“. In der Regel liege die Arbeit der Umweltinitiativen aber bei einer langfristigen Bearbeitung von Schwerpunktthemen, die mit mehr oder weniger neuen Projekten von Jahr zu Jahr kontinuierlich fortgeführt würden.

Eine zweite Befürchtung, dass nämlich die Eckwerte der einzelnen Ressorts faktisch sinken, wenn die Wettmittel nicht mehr als Zusatztopf existieren, sondern „eingearbeitet“ werden, mag im Moment noch niemand aussprechen. Immerhin firmiert der Vorschlag zur Neuregelung im Koalitionsvertrag unter dem Stichwort „haushaltsentlastende Maßnahmen“. Elke Heyduck