: Exzellenter Kletterer
Ein kurzes Porträt des zur Familie der Schleichkatzen gehörenden Larvenrollers, der in China gerade für den Wiederausbruch der Sars-Krankheit verantwortlich gemacht wird
Holen Menschen Tiere in ihre Nähe und sperren sie in enge Käfige, um ihnen das Fell über die Ohren zu ziehen und sie zu verzehren, ist das nicht ohne Risiko. Die Erreger von menschlichen Krankheiten wie Masern, Tuberkulose, Pocken oder Grippe sind allesamt tierischen Ursprungs. Hervorgegangen aus Mikroben, die anfänglich nur unter Rindern, Schweinen und Hunden ihre Verbreitung fanden.
Vom Standpunkt der Mikroorganismen aus gesehen, hat sich der Wirtswechsel vom Tier zum Menschen jeweils gelohnt. Ihre Verbreitungsgeschwindigkeit und vor allem ihre geografische Ausbreitung erreichen im menschlichen Wirt auf den globalisierten Handelswegen ganz andere Dimensionen als bei ihrem Verbleib im Rinderstall oder Hundezwinger. Das gilt auch für das Coronavirus, das die Symptome der Sars-Krankheit hervorruft. Im Menschen schaffte das Virus einen Sprung, der ihm in seiner vermeintlichen Entstehungsart nie gelungen ist.
Auch wenn es wissenschaftlich nicht einwandfrei feststeht, hat man in China jetzt die Quelle von Sars bestimmt und sofort ein Verbot erlassen. Der Larvenroller (Paguma larvata) darf nicht mehr gegessen werden und nicht mehr zum Angebot südchinesischer Märkte zählen. Larvenroller gehören zur Familie der Schleichkatzen, der Viverridae. In der stammesgeschichtlich alten Familie der Viverriden werden etwa siebzig Arten zusammengefasst, deren ursprüngliches Verbreitungsgebiet in Afrika und Asien liegt. Schleichkatzen zeichnen sich im Allgemeinen aus durch einen langen Rumpf mit einem körperlangen Schwanz, der auf verhältnismäßig kurzen Beinen bewegt wird. Sie haben die verschiedensten Sozialsysteme hervorgebracht. Von hochkomplexen Sozialverbänden, in denen Mungos und Surikaten leben, bis hin zur einzelgängerischen nächtlichen Lebensweise der auf Madagaskar beheimateten Fossa oder Frettkatze und des Larvenrollers.
Das Körperfell der Larvenroller ist von einheitlicher bräunlicher Farbe, das auffällig mit der maskenartigen schwarzweißen Zeichnung mit einem hellen Nasenstreifen des Gesichts kontrastiert. Man hat die Gesichtsmaskierung als Warnsignal gedeutet, mit dem die hervorragenden Kletterer nachts, wenn sie in den Bäumen nach Bananen, Insekten oder kleinen Säugern suchen, Artgenossen anzeigen, sie mögen fern bleiben. Nur im Frühjahr und Herbst während der Fortpflanzungszeiten heben sie kurzzeitig ihre Unverträglichkeit auf. Dann versammeln sich oft mehrere Männchen in einem Baum um ein fortpflanzungswilliges Weibchen. In dieser Zeit wurden sie bevorzugt gejagt und am leichtesten gefangen. Das aber hat nun ein Ende.
Ob damit nun die Infektionsquelle von Sars dingfest gemacht ist, bleibt ungewiss. Das Coronavirus könnte nach Meinung von Molekularbiologen auch von Hühnern stammen. Was aber die Eindämmung der Infektionsquelle unmöglich machen würde. Insofern wird den Katzen im Freien auch bei einer falschen Ursachenzuweisung das Virus ausnahmsweise mal Gutes tun: Bei der Paarung abgeschossen werden sie wohl nicht mehr.
CORD RIECHELMANN
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