Flächendeckende Einzelfälle

In ganz Nordrhein-Westfalen ist Rindfleisch in den Handel gelangt, obwohl es nicht auf BSE getestet wurde. Fehlverhalten in zahlreichen Landkreisen. Ministerin Bärbel Höhn warnt vor „Hysterie“

VON MARTIN TEIGELER

Der Pfusch bei den BSE-Tests ist ein flächendeckendes Problem in NRW. In zahlreichen Landkreisen wurden Rinder ohne den vorgeschriebenen BSE-Test geschlachtet. Rindfleisch aus dem Hochsauerland- und dem Oberbergischen Kreis, aus den Kreisen Borken, Olpe, Siegen-Wittgenstein und Warendorf ist dennoch in den Handel gelangt (siehe Kasten). NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) hat trotz der unterlassenen BSE-Tests an Rindern vor Hysterie gewarnt. „Wir sollten nicht hysterisch reagieren“, sagte Höhn am Wochenende in einem Zeitungsinterview. Ein 100-prozentig sicheres System werde man nie bekommen, da man kriminelle Energie nicht ausschalten könne.

Nach den bisherigen Erkenntnissen des NRW-Umweltministeriums und der Veterinärämter betrifft die „kriminelle Energie“ das ganze Land. Mindestens 160 Rindviecher sind nicht auf BSE getestet worden, wobei die Ermittlungen von Behörden und Staatsanwaltschaft gerade erst angefangen haben. Bei einer Untersuchung der bundesweiten „Rinderdatenbank“ waren vergangene Woche rund 6.100 „Unstimmigkeiten“ in NRW festgestellt worden, die jetzt genau überprüft werden.

Die für Landwirtschaft und Verbraucherschutz zuständige Ministerin relativierte die aktuellen Vorkommnisse. „Wenn man bedenkt, dass 2003 auf 50.000 Rinder durchschnittlich ein BSE-Fall gekommen ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass unter diesen 1.000 ein oder mehrere Fälle sind, relativ gering“, sagte Bärbel Höhn. Zugleich hob die Ministerin die Qualität des Verbraucherschutzes in der Bundesrepublik hervor. Es sei „wichtig zu wissen, dass der Verbraucherschutz in Deutschland heute ein ganz anderes Niveau hat als noch vor ein paar Jahren.“ Dadurch sei die Zahl der BSE-Fälle von 125 im Jahr 2001 auf 54 Fälle im vergangenen Jahr gesunken. Kritik an den teuren BSE-Tests wies die Ministerin zurück. Derzeit könne auf die Tests nicht verzichtet werden. „Wenn die Zahlen weiter zurückgehen, wir noch weitere Forschungen hinter uns und noch genauere Kenntnisse über BSE haben, muss darüber nachgedacht werden.“ Gegenwärtig sei es für einen solchen Verzicht aber noch zu früh.

Die CDU-Landtagsopposition warf Ministerin Höhn eine „Salami-Taktik“ bei der Information über die Schlampereien bei den BSE-Tests vor. „Es ist erstaunlich, dass die Zahl der ungetesteten Rinder täglich höher wird“, forderte die Sprecherin der CDU für Verbraucherschutz, Marie-Luise Fasse, mehr Aufklärung von Höhn. Während der Skandal immer weitere Kreise ziehe, tue Höhn so, als habe sie nichts damit zu tun.

Stefan Romberg, Ernährungsexperte der NRW-FDP, unterstellte Höhn „eklatantes Versagen bei den BSE-Kontrollen“. Dass die Misstände dem Düsseldorfer Ministerium über Monate nicht auffielen, sei ein Skandal, kritisierte Romberg: „Offenbar muss man inzwischen die Verbraucher vor der Verbraucherschutzministerin schützen.“