Edel, hilfreich und spontaner

Berufsberatung einmal geschlechtsspezifisch: Das Landesarbeitsamt stellt Strategien gegen Schüchternheit vor. Es kann dabei Frauen zwar nicht mehr Jobs versprechen, dafür aber größere Beachtung ihrer sozialen Kompetenz

Mittwoch, 10 Uhr morgens im Berufsinformationszentrum des Arbeitsamtes Berlin-Mitte (BIZ). „Neue Job-Such-Strategien – Wie lande ich einen Treffer?“ heißt die Veranstaltung. Das klingt zwar hilflos, richtet sich aber speziell an weibliche Arbeitssuchende. Von denen gibt es in Berlin mindestens 128.698. Ganze 11 finden heute den Weg ins BIZ. Der einzige Mann kommt viel zu spät. Sind Frauen pünktlicher?

Martina Wilmink, Beauftragte für Chancengleichheit des Arbeitsamts Mitte, würde das nicht unterschreiben. Aber sie hat ein Rezept zur Selbstbeschäftigung, pardon, Selbstvermarktung: die „Initiativ-Bewerbung“ (IB). Das heißt: Frau schickt Kurzbewerbungen an Betriebe ihrer Wahl. „Ohne Foto!“, dafür mit reißerischen Kopfzeilen, etwa: „Top-Frau sucht …“ Wie frivol! Immerhin fünf von hundert IBs würden im Durchschnitt beantwortet.

Alsdann befrage die moderne Arbeitswillige sich selbst: „Wo stehe ich? Was ist mein Ziel? Wie komme ich hin?“ Arbeitssuche ist wie U-Bahn-Fahren. Überfüllte Waggons gilt es zu meiden: „In welche Nische passe ich?“ Wieso das frauenspezifisch ist, bleibt ein Geheimnis. Vielleicht flutschen Frauen eben besser, wegen ihrer sozialen Kompetenz: „Kindererziehung und Haushaltsführung“ trainieren Tugenden, die „auch Unternehmen brauchen.“

Wilminks Kollegin Barbara Horstmann vom Arbeitsamt Südwest warnt aber: „Nie das Wort ,Hausfrau‘ verwenden!“ Dafür seien Hobbys hilfreich: „Viele Frauen sind ja kreativ.“ Es sind so genannte Soft Skills, also emotionale Fähigkeiten, mit denen wir Weiber uns brüsten sollen. Knallhartes Fachwissen nimmt uns die Männerwelt demnach sowieso nicht ab.

Ein neckischer Amor schmückt denn auch den Flyer, der uns „später im stillen Kämmerlein“ zum eigenen Bewerberprofil bringt. Um „Charakterzüge“ geht es da. „Edel, hilfreich und spontan“ müsste doch Eindruck machen? Frauen, so der empirische Test an diesem Vormittag, sind nämlich schon dankbar, wenn man ihnen überhaupt zuhört.

Die beiden Referentinnen gucken zufrieden. „Frauen sind oft schüchtern“, erklärt Barbara Horstmann – und serviert zum krönenden Abschluss die fiktive Musterfrau: „Auf Grund der Betreuung meiner Kinder wünsche ich vorübergehend einen Einsatz von 30 Stunden in der Woche.“ Damit könnten Arbeitgeber „wirklich was anfangen“.

Aha. Wenn nur „vorübergehend“ ausgeholfen werden soll, wenn nicht der Beruf, sondern die Familie im Lebensmittelpunkt steht, wenn statt von Tarifrecht von bescheidenen Einsätzen die Rede ist, dann haben sogar Frauen Chancen. „Vor allem in der Zeitarbeit“, weiß Horstmann mit verschwörerischem Blick. „Ab 40 läuft da auch nichts mehr“, wirft eine ältere Leidgeprüfte ein. Was soll’s. Seien wir froh, dass sie uns nicht noch zur Umschulung ins Domina-Studio schicken. GISELA SONNENBURG