Neu erinnern

Erinnerungen an ein Leben als „Mischling“ im Hamburg der NS-Zeit: Ingeborg Hecht stellt ihr Hörbuch vor

Nazis fürchteten um Geheimhaltung derDeportationen

Mischlinge waren im Nationalsozialismus der lebende Beweis einer unvollendeten Aufgabe. Kaum etwas veranschaulicht so genau das zähe Bemühen der Bürokratie um einen vollständigen Vollzug der „Endlösung“ wie die unzähligen Kontroversen um die Frage, wie diejenigen zu behandeln seien, die aus Ehen mit einem jüdischen und einem arischen Teil hervorgegangen sind. Immer wieder erwog man zum Beispiel massenhafte Zwangssterilisationen. Das ließ sich nicht verwirklichen, weil die entsprechenden medizinischen Experimente nicht weit genug gediehen waren. Es gab den Vorschlag, die „Mischlinge“ in einem „reichsnah“ gelegenen Lager zu internieren und dort Sterilisationen vorzunehmen. Aber auch Deportation und Vernichtung wurden für diese Bevölkerungsgruppe immer wieder diskutiert.

Gerade erst hat Margarethe von Trottas Film Rosenstraße – wie kitschig auch immer – einen weiteren, sehr wichtigen Aspekt dieser Frage in Erinnerung gerufen: Die NS-Verwaltungsorgane riskierten nämlich bei einer Deportation der jüdischen Ehepartner aus gemischten Ehen ebenso wie bei der von „Mischlingen“ die Geheimhaltung der Judenvernichtung. Jedenfalls rechneten sie im Falle einer Deportation mit dem Widerstand der „arischen“ Angehörigen.

Wie dies alles aus der Perspektive eines jungen Mädchens wahrgenommen wurde, das im Hamburg der 30er und 40er Jahre als Tochter einer „arischen“ Mutter und eines jüdischen Vaters lebte, hat Ingeborg Hecht in ihrem autobiographischen Buch Als unsichtbare Mauern wuchsen festgehalten. An unzähligen Schulen hat die heute in Freiburg/Breisgau lebende Frau Schüler über die Auswirkungen der Nürnberger Rassengesetze auf ihren damaligen Alltag informiert. In ihren Text montierte Zitate aus der NS-Gesetzgebung machen auch im Buch die kontinuierliche Entrechtung der Juden und „Mischlinge“ deutlich. Das bereits 1984 veröffentlichte Buch liegt jetzt in einer Hörbuchfassung vor. Zeitgleich erscheint unter dem Titel Die Heilsamkeit des Erinnerns eine Zusammenstellung von Texten, die Ingeborg Hecht als Reaktion auf ihre in sachlichem Ton festgehaltenen Erinnerungen erhalten hat: von Leuten, die seinerzeit mit denselben Auswirkungen der Rassengesetze in Deutschland zu kämpfen hatten.

Jana Babendererde

Hörbuchpräsentation: Di, 13.1., 11 Uhr, Warburg-Haus, Heilwigstr. 116 Ingeborg Hecht: Als unsichtbare Mauern wuchsen. Eine deutsche Familie unter den Nürnberger Rassengesetzen, Dölling und Galitz Verlag, CD, 66 min., 12 Euro Ingeborg Hecht: Die Heilsamkeit des Erinnerns, Dölling und Galitz Verlag, 120 S., 9,80 Euro