Die Leinwand als Verhandlungsort

Die Filmwissenschaftlerin Susanne Weingarten beleuchtet in der jetzt beginnenden, bis Februar dauernden Reihe „Bodies of Evidence“ im Abaton Geschlechterrepräsentationen von Hollywood-Stars. Ein Interview

taz: In deiner Film- und Vortragsreihe „Bodies of Evidence“ sprichst du über Hollywood-Stars. Was macht DarstellerInnen zu Stars?

Susanne Weingarten: DarstellerInnen werden zu Stars, wenn sie eine bestimmte Resonanz bei ZuschauerInnen erzeugen, weil sie einem oder mehreren zeitgenössisch relevanten Diskursen als Kristallisationspunkt dienen. Ich frage, wie zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt über Geschlecht gesprochen wird, d. h. welche Rollen verhandelt werden, wie Weiblichkeit und Männlichkeit definiert, was ausgegrenzt wird. Diese Fragestellungen werden sehr stark entlang von Stars verhandelt. Durch ihre Überlebensgröße und die starke emotionale Bindung von ZuschauerInnen sind Stars extrem präsent.

Welcher Geschlechterdiskurs zeigt sich denn beispielsweise in dem 70er-Film Klute?

Jane Fonda spielt in dem Film eine Prostituierte, die in ihrem Privatleben ganz anders als gegenüber ihren Freiern ist. So wird thematisiert, dass weibliche Sexualität eine Performanz ist, die nicht authentisch, sondern eine Form von Weiblichkeit, Begehren und Lust ist, die sie aufgrund der Systemzwänge den Männern vorspielt. So greift Fonda Themen der damaligen Frauenbewegung auf: Die Frau ist Sexualobjekt des Mannes, die Frau bestimmt ihre Existenz nicht selbst.

Und ist Robert Redford das männliche 70-er Pendant zu Jane Fonda?

Robert Redford symbolisiert nur ein Männlichkeitsideal der 70er. Das Besondere an seinem Image besteht darin, dass es Widersprüche vereint. In Der elektrische Reiter ist er ein gescheiterter Held, der seine Männlichkeit wiederfinden muss. Das gelingt ihm dadurch, dass er bei einem seiner Auftritte als ,Werbereiter‘ für einen Cornflakes-Hersteller auf einen außergewöhnlichen Hengst trifft, den er zu befreien versucht. Er reitet in die amerikanische Prärie und gibt dem Pferd und gleichzeitig auch sich selbst die Freiheit – der von der Zivilisation verweichlichte Mann befreit sich zur maskulinen Cowboy-Identität.

Was symbolisiert hingegen der erste Rocky-Film?

Mit Rocky begann die neue Ära, verkörpert durch Silvester Stallone. Mit dem Beginn der Reagan-Ära wird dieses Bild des unbesiegbaren, auf seine Muskelkraft zählenden weißen Mannes, der alle Zweifel an dem Körperpanzer abprallen lässt, zunehmend wichtiger.

Was wäre das weibliche Pendant dazu?

Es gab fast keine weiblichen Stars in den 80ern, die meisten Kassenschlager waren Actionfilme mit männlichen Helden. Eine Ausnahme war Meryl Streep, die im Gegensatz zu Stallone kaum über den Körper definiert wird. Männer dehnen sich in den 80ern mit ungeheuren Muskelkörpern auf der Leinwand aus, während Frauen verschwinden – ein Zeichen des Backlashs. Anfang der 90er Jahre taucht dann die toughe Frau auf, und diese hat Demi Moore in der extrem sexualisierten Form verkörpert. Doro Wiese

Filme mit begleitendem Vortrag von Susanne Weingarten: Klute: 12.1., 20 Uhr. Der Elektrische Reiter: 19.1., 20 Uhr. Rocky: 26.1., 20 Uhr. Jenseits von Afrika: 1.2., 11 Uhr. Die Akte Jane: 16.2., 20 Uhr, Abaton