Die nächste Stufe

Den deutschen Volleyballern bleibt verwehrt, was die Volleyballerinas überraschend geschafft haben: die Olympia-Teilnahme. Einen Schritt nach vorne haben aber auch die DVV-Männer getan

AUS LEIPZIG FRANK KETTERER

Stelian Moculescu hatte genug gelitten. Nun, da die deutschen Volleyballer ein letztes Mal aufs Feld schritten, um sich artig beim fantastischen Publikum in der Arena zu Leipzig für all die unermüdliche Unterstützung zu bedanken, machte sich der Bundestrainer beinahe unbemerkt aus dem Staub. Die Hände tief in den Taschen des feinen Jacketts vergraben, den Kopf traurig gesenkt, verschwand der 53-Jährige in den Katakomben; und auch als er keine zehn Minuten später wieder auftauchte, um vor versammelter Presse zu erklären, warum die deutschen Männer das Halbfinale der Olympiaqualifikation mit 0:3 (21:25, 23:25, 17:25) verloren hatte gegen Holland und somit zuschauen müssen, wenn im Sommer die Medaillen vergeben werden in Athen, gab Moculescu sich unvermindert wortkarg: Was war der Knackpunkt, Herr Moculescu? Moculescu: „Die Holländer haben besser gespielt.“ An was hat es der deutschen Mannschaft gefehlt? „Keine Ahnung, da muss ich erst drüber nachdenken.“ Was bedeutet das für die Zukunft? „Wir haben verloren. Wir sind raus. Damit hat sich’s.“ Dann verschwand der Rumäne auch schon wieder.

So war es gut, dass auch Wolfgang Kuck, der Kapitän der Mannschaft, hinzugekommen war, um die Dinge zu erklären – und um Verständnis zu bitten für die ziemlich wortlose Analyse seines Trainers. Moculescu sei eben „ein emotionaler Typ, den es mitnimmt, dass er es mit der Mannschaft nicht geschafft hat“; und manchmal, so Kuck, brauche der Trainer einfach etwas länger, um so eine Enttäuschung zu verarbeiten. Im Übrigen hätten sie ja alle, also die Mannschaft, geglaubt, die Holländer besiegen zu können. Dass selbst dies das Olympiaticket nicht endgültig gesichert hätte, zeigt nur, wie weit und beschwerlich der Weg nach Athen von Anfang an war: Nur der Sieger des europäischen Qualifikationsturniers darf bei Olympia mitmachen. Dass dies die Russen sind, die im Finale am Samstag ihrerseits Holland mit 3:0 abfertigten, ist nicht wirklich eine Überraschung. Die Russen sind Vizeweltmeister und Olympiazweiter. „Wenn wir uns qualifiziert hätten, wäre das doch eine Sensation gewesen“, stellte Till Lieber, der deutsche Libero, deshalb noch ein letztes Mal fest.

Die Sensation fand dann doch noch statt, allerdings ein paar tausend Kilometer entfernt, im aserbaidschanischen Baku – und bei den Frauen. Dort gewannen die deutschen Volleyballerinas tatsächlich ihr Qualifikationsturnier durch einen finalen 3:0-Sieg über Vizeeuropameister Türkei – und dürfen nun erleben, was den Männern verwehrt bleibt: Olympia.

So kam es, dass Werner von Moltke, der Präsident des Deutschen Volleyball Verbandes (DVV), am Ende doch kein allzu düsteres Bild zeichnen musste von der Zukunft des deutschen Hallen-Volleyballs. Zumindest der GAU, „dass wir nur mit den Beachteams bei Olympia sind“, den der DVV-Präside noch Mitte der Woche befürchtet hatte, war abgeschmettert – und damit auch die wirtschaftlichen Einbußen, die der Verband beim doppelten Verpassen von Olympia hätte hinnehmen müssen. Dann, so Moltke, wäre der DVV beim Bundesinnenministerium in eine noch niedrigere Förderstufe gerutscht, rund 100.000 Euro, so der Graf, hätte das wohl ausgemacht.

Den deutschen Frauen sei Dank ist der DVV nun doch aus dem Schneider; und auch die Herren der Schöpfung können weiter an ihrer Zukunft basteln, um die es so schlecht gar nicht bestellt scheint, verpasste Olympia-Teilnahme hin oder her. Sportlich gibt es nämlich durchaus Anlass zu vorsichtigem Optimismus, in Leipzig haben die Deutschen jedenfalls erneut gezeigt, dass sie die Lücke zu den Besten der Welt wieder um ein Stückchen geschlossen haben. Zwar gelang im letzten Gruppenspiel gegen Russland sowie im Halbfinale gegen die Niederlande kein Satzgewinn, nahe dran aber war die DVV-Auswahl gleich mehrfach. „Man hat gesehen, dass wir vom Spielniveau durchaus mithalten können“, fasste Wolfgang Kuck das zusammen, lediglich in entscheidenden Situationen mangele es bisweilen noch an der nötigen Cleverness. „Bei Standardsituationen sind wir schon sehr, sehr gut. Wenn uns aber Bälle überraschen, können wir noch nicht schnell genug reagieren“, konkretisierte das Captain Kuck, der weiß, dass es sich dabei um einen „Lernprozess“ handelt, „der Zeit braucht“.

Bundestrainer Moculescu, der die Mannschaft aus der Drittklassigkeit dorthin geführt hat, wo sie heute steht, nämlich an der Grenze zur Weltspitze, wird den deutschen Volleyballern diese Zeit geben, schließlich macht er trotz der verpassten Olympiaqualifikation weiter, was vor dem Turnier so sicher nicht war. Und wenn die ärgste Wut verflogen ist, wird auch der Rumäne die erstmalige Halbfinalteilnahme seiner Männer bei einem großen und wichtigen Turnier als das bewerten, was sie de facto ist: das Erreichen einer neuen Entwicklungsstufe, so wie er das vor dem verlorenen Spiel gegen die Holländer und damit vor all seiner Enttäuschung durchaus getan hat. Ob die deutsche Mannschaft damit in der Weltspitze angekommen sei, wurde Stelian Moculescu da gefragt, was der Bundestrainer mit einem lang gezogenen „Nööö“ verneinte. Und mit der Anmerkung: „Aber wir sind auf dem Weg dorthin.“