BUNDESPRÄSIDENTIN: SOGAR DIE TAKTIK SPRICHT FÜR SCHMALZ-JACOBSEN
: Rot-Grün muss einfach FDP wählen

Wenn alle meinen, was sie sagen, dann steht seit gestern der neue Bundespräsident fest: Wenn Gerhard Schröder dabei bleibt, dass die SPD eine Frau selbst dann wählen würde, wenn sie aus einer anderen Partei käme. Wenn die Grünen auf einen eigenen Kandidaten verzichten, wie Parteichef Bütikofer ankündigte. Und wenn die FDP es mit der Kandidatin ernst meint, die ihre Generalsekretärin am Wochenende vorschlug. Dann wird tatsächlich am 23. Mai die FDP-Veteranin Cornelia Schmalz-Jacobsen, 69 Jahre und langjährige Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, zur ersten Frau im Staat gewählt. Und es wäre nicht mal eine schlechte Entscheidung.

In fast verblüffender Weise sprechen für die Kandidatin Schmalz-Jacobsen alle drei Argumente, auf die es bei der Wahl zum Bundespräsidenten ankommt: Idealismus, Pragmatismus und Zynismus. Der Idealismus verlangt nach einer Person, die über graue Haare verfügt, eine integre Vergangenheit und trotzdem praktische Politikerfahrung aufweist. Integer ist sie schon in der zweiten Generation, ihre Eltern wurden in Israel für ihren Mut in der Nazizeit geehrt. Pragmatisch spricht für Schmalz-Jacobsen, dass sie in der Bundesversammlung die notwendige Mehrheit hinter sich vereinen kann. Die SPD könnte sich brüsten, eine Frau durchgesetzt zu haben, die Grünen können Schmalz-Jacobsen rühmen, weil sie eine frühe und engagierte Vorkämpferin für ein Zuwanderungsgesetz war, und der FDP kann niemand verübeln, lieber eine Liberale zu wählen als den CDU-Mann Wolfgang Schäuble.

Schäubles Favoritenstatus in den Medien hängt ohnehin völlig in der Luft, denn bisher noch fehlt die Unterstützung durch die FDP. Hier kommt der parteipolitische Zynismus ins Spiel, der schmutzigste aller Aspekte bei Bundespräsidentenwahlen, aber gerade darum der wichtigste: Parteien wählen am liebsten Kandidaten, die der Konkurrenz schaden. Das macht Schmalz-Jacobsen für Schröder attraktiv: Eine größere Blamage für Oppositionsführerin Angela Merkel ist kaum denkbar, als wenn Rot-Grün ihr mit einer untadeligen Frau die sicher geglaubte Kür eines Unions-Präsidenten vermasselte. PATRIK SCHWARZ