Wahl ohne Reformer

Irans konservativer Wächterrat schlägt zu und lehnt reihenweise nicht genehme Kandidaten ab

TEHERAN afp ■ Sechs Wochen vor der Parlamentswahl in Iran hat der Ausschluss von mehreren hundert Kandidaten durch den Wächterrat den Machtkampf zwischen konservativen und reformorientierten Kräften neu entfacht. Präsident Mohammed Chatami kritisierte die Entscheidung des von Konservativen dominierten Gremiums gestern als „nicht vereinbar mit der Demokratie“. Parlamentspräsident Mehdi Karubi rief die mehrheitlich reformorientierten Ausgeschlossenen dazu auf, gegen das Kandidaturverbot zu klagen. Der prominente Abgeordnete Mohsen Mirdamadi warf den konservativ-islamischen Kräften einen „Staatsstreich“ vor. Medieninformationen zufolge untersagte der Wächterrat 877 von 1.700 Kandidaten in Teheran, sich um ein Parlamentsmandat zu bewerben.

Ein Vertrauter von Präsident Chatami sagte, sieben oder acht reformorientierte Minister würden aus Protest zurücktreten, sollte der Wächterrat seinen Beschluss nicht rückgängig machen. Unter den Ausgeschlossenen war auch der Chef der größten Reformerpartei im Parlament, Präsidentenbruder Mohammed Resa Chatami. „Sollte dieser Beschluss aufrechterhalten werden, zeigt sich, dass religiöse Demokratie nichts als ein Slogan ist“, sagte er. Bei der Parlamentswahl 2000 hatten die Reformer eine große Mehrheit errungen; der einflussreiche Wächterrat blockierte aber die meisten Gesetze durch sein Veto. Am 20. Februar soll ein neues Parlament gewählt werden.

Reformorientierte Abgeordnete kündigten einen Sitzstreik vor dem Parlamentsgebäude an, „bis es in der Kandidatenfrage einen Kurswechsel gibt“, wie die ebenfalls ausgeschlossene Abgeordnete Elaheh Kulaii sagte. Mirdamadi, der auch nicht antreten darf, sagte, das Gebäude werde „zu einem Zentrum des Widerstands“. Seinen Angaben zufolge wurden die Abgeordneten wegen eines Gesetzesartikels ausgeschlossen, demzufolge Bewerber für öffentliche Ämter ihr Eintreten für den Islam unter Beweis stellen müssen.

Chatami bemühte sich um eine Entschärfung der Krise. „Ich bin mit dieser Ablehnung der Kandidaten nicht einverstanden. Wir müssen jetzt ruhig und mit rechtskonformen Mitteln reagieren“, sagte der Präsident. Chatami betonte, dass der Wächterrat seine Entscheidung noch einmal überdenken könne und dass der geistliche Führer des Landes, der konservative Ajatollah Ali Chamenei, gegen das Kandidaturverbot vorgehen könne. Chamenei hat sechs der zwölf Mitglieder des Wächterrats ernannt.