Genosse auf Merkels Spuren

Auch SPD-Mann Klose eilt nach Washington – und erklärt, was der Kanzler falsch macht

BERLIN/WASHINGTON taz ■ Niemand wird behaupten können, dass Hans-Ulrich Klose in diesen Tagen sehr gesprächig ist – in Deutschland. Schnellen Schrittes verlässt der SPD-Politiker die Sitzung des Auswärtigen Ausschusses – und bleibt auch dann nicht stehen, wenn er angesprochen wird. „Ein Porträt in der taz“, sagt er kurz angebunden, „ist nicht das, wonach ich derzeit strebe.“

Auch in der SPD schweigt man am liebsten über den früheren Hamburger Bürgermeister, seit er im Wahlkampf den Irakkurs des Bundeskanzlers frontal attackierte – und dafür ein schweres Kanzlerdonnern kassierte. Umso häufiger reist er seither in die USA, wo er – ähnlich wie CDU-Chefin Angela Merkel – als Schröder-Kritiker höchst willkommen ist. Und so erläuterte der SPD-Dissident seine Position im Washingtoner Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung just am Abend desselben Tages, an dem Merkel ihr üppiges Besuchsprogramm in der amerikanischen Hauptstadt absolvierte.

Indem er sich gegen die Parteilinie stellte, habe der Hanseat „dem demokratischen Diskurs einen Dienst erwiesen“, leitete Stiftungschef Dieter Dettke diplomatisch ein. Derart umschmeichelt gab sich Klose gesprächiger als auf feindlichem Berliner Terrain. „Noch nie in der deutschen Nachkriegsgeschichte“, so Klose am Rand der Veranstaltung zur taz, habe ein Kanzler „so viel Schaden in so kurzer Zeit angerichtet“.

Über Schröder zu sprechen, das schien Klose während der Diskussion geradezu körperliche Anstrengung zu kosten. Der Gast aus Deutschland wirkte müde, ernst und äußerst angestrengt. Meist blickte er nach unten, nur selten richtete er seinen Blick direkt ins Publikum – und das, obwohl der Auftritt vor amerikanischem Publikum eigentlich ein Heimspiel war. Den Vorwurf, die Amerikaner strebten nach Weltherrschaft, erklärte Klose schlicht für falsch. In Europa habe man noch nicht verstanden, wie dramatisch der Einschnitt des 11. Septembers für die USA sei. Auf die veränderte Bedrohungslage habe die US-Regierung mit der Nationalen Sicherheitsstrategie nur reagiert. Das darin enthaltene Konzept des Präventivkriegs bezeichnete allerdings auch Klose als „nicht zukunftsfähig“. Einen Regimewechsel im Irak zu erzwingen, sei durch internationales Recht nicht gedeckt.

Derlei Einschränkungen werden freilich nicht genügen, um Kloses Position in der SPD wieder hoffähig zu machen. Seine Biografie gilt etwa der Financial Times Deutschland als die „Geschichte eines Abstiegs“: 1981 wegen des Streits um das Kernkraftwerk Brokdorf vom Amt des Hamburger Bürgermeisters zurückgetreten, musste er nach einem kurzen Comeback in der Bundespolitik den SPD-Fraktionsvorsitz 1994 an Rudolf Scharping abgeben.

Einen mitfühlenden Bericht widmete dem „mutigen Mann“ zuletzt die Welt am Sonntag. Eine schmerzhafte Sehnenentzündung lasse der Politiker nicht vom Arzt, sondern von seiner Frau behandeln, wusste das Blatt zu berichten. „Weil Frauen einfühlsamer sind mit dem Schmerz der Männer.“

MICHAEL STRECK, RALPH BOLLMANN