FDP hat noch eine Bundespräsidentin in petto

Die Liberalen bringen mit Cornelia Schmalz-Jacobsen erstmals eine Kandidatin mit rot-grünem Appeal ins Gespräch. Die einstige Ausländerbeauftragte und FDP-Generalsekretärin war die liberale Stimme der späten Kohl-Ära

BERLIN taz ■ Sie ist eine feine ältere Dame, trägt einen Doppelnamen und gerne mal Perlenkette, hat in der FDP schon mehr Ämter bekleidet als Guido Westerwelle, streitet stets aufrecht für liberale Werte und wurde vorgeschlagen als erste Bundespräsidentin der Republik. Die Ähnlichkeiten zwischen Hildegard Hamm-Brücher und Cornelia Schmalz-Jacobsen sind verblüffend – doch während die „Grande Dame“ bei der Präsidentenwahl 1994 nur Zählkandidatin war, hat Schmalz-Jacobsen eine reale Chance. Gegenüber Focus brachte FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper die 69-Jährige jetzt offiziell als Kandidatin ihrer Partei ins Gespräch, neben Fraktionschef Gerhardt.

Rechnerisch steht die Chance gar nicht schlecht, doch politisch ist die Hürde groß. FDP-Chef Westerwelle müsste sich mit Rot-Grün zusammentun – und CDU-Chefin Angela Merkel samt ihrer Hoffnung auf einen Präsidenten Wolfgang Schäuble abblitzen lassen. Für die Mehrheit von 604 Stimmen in der Bundesversammlung würde es allemal reichen: FDP, SPD und Grüne kämen auf 631 Stimmen, CDU, CSU und FDP nur auf die kleinere Mehrheit von 618. Kanzler Gerhard Schröder hatte für die SPD bereits am Sonntag vergangener Woche erklärt, eine Kandidatin der Opposition „schauen wir uns vorurteilsfrei an“.

Schmalz-Jacobsen bringt kulturell wie politisch Eigenschaften mit, die sie für Rot-Grün interessant machen: Als weithin anerkannte und profilierte Ausländerbeauftragte war sie von 1991 bis zum Regierungswechsel eine liberale Stimme der späten Kohl-Jahre. Trotz ihres bürgerlichen Erscheinungsbildes war sie überdies – unfreiwillig – eine Art Vorreiterin der Patchwork-Familie. In den 60er-Jahren, als Scheidung noch ein Makel war, kehrte die gelernte Journalistin nach kurzer Ehe als allein erziehende Mutter in ihren Beruf zurück. In den 70er-Jahren saß sie für die FDP im Stadtrat in München, Mitte der 80er-Jahre war sie in Berlin Familiensenatorin, später FDP-Generalsekretärin. Nicht unwichtig in der Bundesversammlung mit Vertretern aus allen Bundesländern: Mit Stationen in München und Berlin überbrückt Schmalz-Jacobsen den Nord-Süd-Gegensatz.

PATRIK SCHWARZ

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