Kultur des Abendlandes

Kulturbehörde zahlt Springer-Zeitung die Akquirierung kindlicher Leser: Kinder-Kultur-Zeitung nennt sich die monatliche Beilage über alles, was der Nachwuchs von Abendblatt-Lesern wissen soll

von KAIJA KUTTER und SANDRA WILSDORF

Nun ist der Kulturbegriff an sich ja ein weiter. Je weiter, desto besser, sagt der Kulturfreund gemeinhin, weswegen er gerade sehr zufrieden sein muss mit der Kultursenatorin dieser glanzvollen Stadt: Denn der Kulturbegriff von Dana Horáková umfasst sogar das Hamburger Abendblatt. Eigens für eine Kinder-Kultur-Zeitung hat die Behörde Geld in einen Topf Kinderkultur gestopft und damit nicht etwa Kinderkulturschaffende bedacht, sondern eben „Norddeutschlands große Familienzeitung“, wie deren stellvertretender Chefredakteur Hans-Jörg Wiedenhaus sein Blatt nennt.

Herausgekommen sind acht Seiten für Kleine, mit Tipps, Terminen und einer Reportage. Entstanden sei das „gemeinsam mit Kindern“, sagt Feuilleton-Chefin Annette Maria Rupprecht, die die monatliche Beilage konzipiert hat. Kinder von Redakteuren? Einige kämen natürlich schon aus dem Bekanntenkreis, aber „wir waren auch in einer Kita“.

Für die ehemalige Bild-Kulturredakteurin Horáková ist „die erste Kinder-Kultur-Zeitung Deutschlands“ ein „Vergrößerungsglas“, und ein „Verbindungsglied“, der „missing link“ für all‘ die kinderkulturellen Ereignisse und Geschichten in dieser Stadt. Weshalb sie gerade als Beilage einer Tageszeitung erscheint? „Weil das Abendblatt die größte Akzeptanz und Auflage hat.“ Und die Behörde habe schließlich „keine eigene Redaktion und keine Druckerei“. Für Wiedenhaus ist sowieso „klar, warum wir uns da engagieren“: Jeder zehnte Hamburger sei unter 13, „das ist unsere potenzielle Leserschaft in zehn bis 20 Jahren“.

Warum denn der Hamburger Steuerzahler das Marketing des Abendblattes bezahle? „Das ist kein Marketing“, sagt die Senatorin, und überhaupt machten Fragen solcher Art sie „ganz traurig“, schließlich gehe es doch darum, „dass hier etwas Tolles entstanden ist“. Wieviele bürgerliche Euro diese Tollheit die Behörde gekostet hat, will sie nicht sagen: „Geschäftsgeheimnis.“ Aha. Dabei kursiert in der Medienbranche längst eine Summe von rund 150.000 Euro.

Das hat auch den GAL-Politiker Willfried Maier auf den Plan gerufen. Er stört sich an der Finanzierung der Beilage und möchte in einer Kleinen Anfrage wissen, ob und in welcher Höhe der Senat die Publikation unterstützt. Sei doch der Haushaltstitel „Kinder- und Jugendkultur“ gerade um 148.000 Euro auf 248.000 Euro „zur verstärkten Förderung sonstiger Projekte“ erhöht worden. Maier will nun wissen, welche „sonstigen Projekte“ gefördert werden oder ob die ganze Summe ans Abendblatt geht. Auch fragt er nach, ob die Finanzierung einer Zeitungsbeilage ein geeignetes Mittel zur Förderung der Kinder- und Jugendkultur sei.

„So sehr eine Kinderzeitung zu begrüßen ist, es hat den Anschein, dass hier die frühe Leserbindung durch staatliche Mittel finanziert wird“, kritisiert der Kulturpolitiker. Wenn überhaupt, müsste solche eine Zeitung „unabhängig von bestimmten Presseorganen“ sein.

Maier hätte es besser gefunden, wenn die Summe an die Institutionen der Kinderkultur direkt geflossen wären. „Die könnten damit ihr eigenes Marketing machen.“ Immerhin handle es sich um jeden achten Euro, der überhaupt für Kinderkultur ausgegeben werde. Besonders pikant sei, dass Senatorin Horáková hier mit dem Springer-Verlag ihrem ehemaligen Arbeitgeber Geld gibt. Maier: „Wenn das zwischen der SPD und einer Gewerkschaft passieren würde, wäre sofort von Filz die Rede.“