Ist Bremen gottverlassen?

Im Streit um die zehn Gebote Kresniks weist Bischöfin Margot Käßmann den Vorwurf der Voreingenommenheit zurück

Weder ja, noch ein striktes Nein: Landesbischöfin Margot Käßmann bestätigte gestern der taz, noch keine Entscheidung über eine mögliche Teilnahme an einer Podiumsdiskussion über Johann Kresniks Produktion „Die zehn Gebote“ getroffen zu haben. „Dazu müsste man mich auch erst einmal fragen“, sagte die Theologin. Sie wisse davon auch nur aus der Zeitung. Im Rahmen einer Informationsveranstaltung hatte der Bremer Generalintendant Klaus Pierwoß die Bischöfin öffentlich zu einem solchen Streitgespräch aufgefordert. Mittlerweile habe er auch eine schriftliche Einladung an die Theologin verschickt, so der Theatermann gestern auf Nachfrage.

Stellung bezog Käßmann allerdings gegen den vom Intendanten erhobenen Vorwurf der Voreingenommenheit: „Ich habe nicht das Bühnenstück kritisiert“, so Käßmann. In einem Radio-Gespräch hatte die Bischöfin gesagt, die Kirche habe es „nicht nötig, nur damit der Raum voll wird, jetzt alles Mögliche an Firlefanz zu veranstalten.“

Das sei vor dem Hintergrund der aktuellen theologischen Diskussion zu verstehen. „Ich denke, dass wir uns im Moment sehr genau überlegen müssen, was der kirchliche Raum ist.“ Zwar sei dieser bei den Protestanten, anders als in der katholischen Lehre, nicht heilig.„Es sind jedoch durchbetete Räume“, führte die Theologin aus. Dieses Problem sei gerade besonders virulent, weil man aus finanziellen Gründen einen Teil der Kirchen-Bauten verkaufen müsse. Ob die neue Nutzung vertretbar sei, werde von Fall zu Fall geprüft.

Ebenso müsse man in anderen Fällen „von Punkt zu Punkt entscheiden“. Grundsätzlich sei für sie Kirche auch „ein Ort für Provokation – nur muss ich mich dann fragen: Will man mich hier nur provozieren um des Skandals willen?“

Skeptisch bewertete Käßmann vor diesem Hintergrund die Chancen der Bremer Theaterproduktion, zu einer ernsthaften Auseinandersetzung beizutragen. „Man redet doch nur noch von der Darstellung von Nackten und Gewalt“ sagte sie. Grund dafür war die erregte Berichterstattung in der Boulevardpresse über die für den Dom vorgesehene Aufführung. Die Gemeinde zog daraufhin ihre ursprüngliche Zusage zurück. Asyl gefunden haben „Die zehn Gebote“ nunmehr in der kleineren Bremer Friedenskirche.

Einen Anlass für einen Burgfrieden mit der Bischöfin sieht Intendant Pierwoß in den jüngsten Äußerungen Käßmanns jedoch nicht: Er halte das lediglich für „einen Versuch, sich herauszuwinden“. Er werte das weiterhin als „Stimmungsmache“ gegen das Projekt. „Man kann von Kresnik halten, was man will – aber es als bloßen Firlefanz abzutun, das ist unsäglich.“

Dass sich ein Streit zwischen Theologie und Bühnenkunst vor allem zugunsten Letzterer wendet, das war schon zu Lessings Zeiten so: Auch die Bremer Diskussion beschert dem Theater Rekordbuchungen. Bereits seit Mitte vergangener Woche vergriffen sind die Karten für die Premiere am 22. Januar. „Natürlich“, so Pierwoß „wollen die Leute jetzt auch sehen, worüber schon so viel geschrieben wurde.“ Dass sein Haus Schaden nehme, befürchte er nicht. Im Grunde seien „Kontroversen etwas Positives“, so Pierwoß. „Negative Auswirkungen könnte das nur haben, wenn unsere Position nicht gut begründet wäre.“

Benno Schirrmeister