Ganztagsplätze werden rasiert

Gestern haben die Anmeldefristen in den Bremer Kindergärten begonnen. Wie jedes Jahr werden Eltern besonders hinter Ganztagsplätzen her sein – die aber um 250 abgeschmolzen werden. Trifft es besonders die Benachteiligten?

bremen taz ■ Sie hoffen, wenigstens im kommenden Kindergartenjahr einen Ganztagsplatz für ihre Kleinen zu bekommen: die Sozialarbeiterin Birgit Egge, die Landschaftsplanerin Käthe Protze und die Ärztin Katrin Griesbach. Frauen aus der östlichen Vorstadt, die ganztags arbeiten könnten – wenn der Kindergarten nur genug Acht-Stunden-Plätze vorhielte. Doch in ihrem städtischen Kindergarten „Bei den drei Pfählen“ wurden die Ganztagsplätze letzten Sommer von 28 auf 20 reduziert. Noch wissen die Frauen nicht, dass es im kommenden Kindergartenjahr schlimmer kommen könnte: 250 Jahresganztagsplätze werden in Bremen gestrichen.

Dahinter steckt eine Auswertung von Daten des Einwohnermeldeamtes nach denen es eine „rückläufige Zahl von Kindern mit Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz“ gibt, so ein Schreiben des Ressorts Jugend und Soziales an die Träger stadtbremischer Kitas. „Nach vielen Jahren der Ausweitung von Plätzen steht jetzt ein Abbau an“, so das Schreiben. Zugleich wird das Betreuungssystem der Kindergärten umgebaut.

In Zukunft werde es ein differenzierter gestaffeltes Betreuungsangebot geben, bestätigt Behördensprecherin Heidrun Ide. Neben dem gesetzlich verbrieften Betreuungsanspruch auf vier Stunden pro Kind sowie einem sechsstündigen Halbtags- und achtstündigen Ganztagsangebot sollen Eltern künftig auch fünf und sieben Stunden Betreuung wählen können. Aber: „Wo fünf oder sieben Stunden angeboten werden, das wird sich erst nach der Anmeldefrist herausstellen.“

„Das läuft langsam an“, hält der Personalratsvorsitzende Rainer Müller im Amt für Soziale Dienste den Ball flach. Die Auffächerung der insgesamt rund 6.100 Kindergartenplätze werde Jahre dauern. Dagegen machen ihm die kurz vor Weihnachten angekündigten Einschnitte bei den Kindergartenplätzen für Drei- bis Sechsjährige Sorgen. „Wir gehen davon aus, dass 200 Ganztagsplätze bei den städtischen und 50 bei den freien Trägern abgebaut werden“, sagt Müller. Dabei übersteige die Ganztags-Nachfrage schon lange das Angebot. Dass von 1.423 städtischen Ganztagsplätzen nun 200 verschwinden sollen, treffe die städtischen Einrichtungen im Vergleich zu den Freien überproportional. „Wahrscheinlich auch die Kinder von Sozialhilfeempfängern und Mindestzahlern,“ prognostiziert Müller. Kinder also, die nach der Pisa-Diskussion eigentlich im Mittelpunkt aller Fördermaßnahmen stehen sollten – deren Eltern aber womöglich nicht berufstätig sind und deswegen beim Wettrennen um Ganztagsplätze nicht vorne liegen. Eltern aus der Mittelschicht wüssten sich eher zu helfen – und würden als Berufstätige stärker berücksichtigt.

Das würden sich Birgit Egge, Käthe Protze und Katrin Griesbach wünschen. Mittelstandsfrauen aus der Gruppe der 30- bis 40-Jährigen, die in einen quasi informellen und neuerdings viel beklagten Geburtenstreik getreten ist: Nur jede zweite ihrer Generation und Herkunft bekommt überhaupt ein Kind, weiß Birgit Gessner aus dem Haus der Landesgleichstellungsbeauftragten, wo immer wieder Klagen über den Mangel an Ganztagsplätzen einlaufen. „Das System ist nicht flexibel genug“, kritisiert Gessner. Die Ärztin Griesbach stimmt zu: Als sie die Absage ihres Ganztagsplatzes durch die Behörde im letzten Frühsommer bekam, erzog sie schon alleine. Seitdem improvisiert sie. „Wie wir alle“, sagen die beiden anderen Ganztags-Verliererinnen. „Wir wollen kontinuierliche, gute Betreuung an einem Ort – in unserem Kindergarten.“ ede