Bedroht, geschlagen und getreten

AchtionCourage hat die Polizeigewalt gegen Ausländer untersucht. Mehr als 70 Misshandlungen wurden in den letztenJahren aktenkundig. „Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs“: Die meisten Ausländer haben Angst, Anzeige zu erstatten

AUS BERLIN TORBEN TRUPKE

Mindestens siebzig AusländerInnen sind in den letzten drei Jahren in Deutschland von der Polizei misshandelt worden. Und das sei „nur die Spitze des Eisbergs“, wie die Studie betont, die AktionCourage heute vorstellt. Die bundesweit organisierten Menschenrechtler monieren, dass die Landesregierungen die wiederholte Kritik des Europarates und der Vereinten Nationen bisher nicht beachtet hätten.

Der Verein liefert zahlreiche detaillierte Fallbeispiele. So soll der Afrikaner Moulaye D. im Mai 2003 im nordrhein-westfälischen Oberhausen von Bundesgrenzschützern mehrfach bei einer Personenkontrolle bedroht und geschlagen worden sein. Moulaye D. hatte die Beamten zuvor gefragt, warum nur ausländische Personen überprüft würden.

Daraufhin habe sich ein Wortgefecht entwickelt und er wurde von den Grenzschützern zur Wache gezerrt. Dort sei er beschimpft, bedroht und geschlagen worden. Als er nach mehreren Stunden freigelassen wurde, erstatteten die Beamten Anzeige wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Moulaye D. habe die Feststellung der Personalien verweigert und einen Fluchtversuch unternommen. Der Afrikaner bestreitet diese Vorwürfe. Wegen der schlechten Beweislage verzichtete er jedoch auf eine Gegenanzeige.

Aus Braunschweig schildert die Studie folgenden Fall: Der Nigerianer Michael I. sei dort im vergangenen August zu Boden geworfen, gefesselt, getreten und geschlagen worden. Dabei habe er nur an einem Bankautomaten Geld abheben wollen. Ein Streifenwagen habe ihn dann auf dem Weg zu seinem geparkten Auto abgefangen und mit eingeschaltetem Blaulicht zum Halten aufgefordert.

Die Beamten begründeten die Aktion angeblich damit, dass Michael I. zu schnell gefahren sei. Anschließend erklärten sie ihm, sie suchten nach Kokain, und überprüften seinen Kofferraum. Michael I. wird auf das Revier gebracht, wo er sich nach eigenen Angaben nackt ausziehen musste und misshandelt wurde. Daraufhin erstattet der Nigerianer Strafanzeige wegen Körperverletzung, die Polizisten konterten wiederum mit einer Gegenanzeige: Michael I. habe versucht zu flüchten, nachdem er die Beamten bemerkt hatte. Die Staatsanwaltschaft bestätigt die Körperverletzung und nimmt die Vorwürfe „sehr ernst“.

AktionCourage wirft den Sicherheitsbehörden vor, Ausländer allein aufgrund ihres Aussehens schneller zu verdächtigen als Deutsche. Die verschärften Polizeigesetze seit dem 11. September 2001 benachteiligten vor allem diese Bevölkerungsgruppe. Viele Fälle von Polizeigewalt gegen Ausländer würden aber gar nicht erst bekannt, weil die Opfer aus Angst vor den Behörden schwiegen.

Die Polizei sei ihrerseits oft nicht zur Aufklärung eigener Verfehlungen bereit, sondern errichte vielmehr „Mauern des Schweigens“. Für die Studie hatte der Berliner Polizeiexperte Otto Diederichs Zeitungsberichte, Zeugenaussagen und Urteile zusammengestellt.