Immer ein bisschen manipuliert

Die VerbraucherInnen sollen zwischen Genfood und unmanipulierten Lebensmitteln wählen können. Doch eine solche Wahlmöglichkeit gibt es schon lange nicht mehr

Ein Ökobauer kann sich nicht dagegen wehren, dass seine Produkteverunreinigt werden

BERLIN taz ■ Ein bisschen oder gar keine Gentechnik in den Lebensmitteln – geht das überhaupt? Der Gesetzentwurf aus dem Hause Künast gilt seinen Kritikern allenfalls als Kompromissformel. Befürworter hingegen versuchen verängstigte Konsumenten zu beruhigen: Verbraucher und Landwirte könnten nun zwischen Lebensmitteln mit und ohne Gentechnik wählen.

Leider nicht. Wie die Stiftung Warentest im Jahr 2002 herausfand, weisen auch „gentechnikfreie“ Ökoprodukte zum Teil Restbestände gentechnisch veränderter Organismen auf. „Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit, dass Lebensmittel aus ökologischem Landbau auch wirklich gentechnikfrei sind“, so Lebensmittelexperte Jochen Wettach von der Stiftung Warentest.

Ein Ökobauer kann sich faktisch nicht dagegen wehren, dass seine Produkte durch Pollenflug von genmanipulierten Organismen verunreinigt werden. Zudem ist – etwa bei Produkten wie Sojaöl und Cornflakes – später nicht mehr nachweisbar, ob die Erbsubstanz verändert wurde.

Ab dem 1. April 2004 gilt für Lebens- und Futtermittel ein Schwellenwert von maximal 0,9 Prozent, bis zu dem genetisch veränderte Organismen toleriert werden. Ein Produkt, das unter diesem Wert bleibt, muss nicht mit „gentechnisch verändert“ gekennzeichnet sein.

Wer demnächst vor dem Supermarktregal steht, hat also nicht mehr die Wahl zwischen reinen und unreinen Lebensmitteln. Stark oder weniger stark verändert, das ist die Alternative.

Die Risiken der Gentechnik für den Verbraucher sind bis heute nicht ausreichend geklärt. Kritische Beobachter warnen, dass es durch gentechnisch veränderte Lebensmittel zu neuen, bislang kaum erforschten Allergien kommen kann.

VerbraucherInnen, die den Konsum von Genfood so weit wie möglich ausschließen möchten, können sich an einem neuen Einkaufsratgeber von Greenpeace orientieren. Die bedeutendsten Lebensmittelhändler und -hersteller wurden in Sachen Genfood befragt. „Der weit überwiegende Teil der befragten Unternehmen lehnt gentechnisch veränderte Produkte ab“, sagte der Gentechnik-Experte von Greenpeace, Alexander Hissting. Nur wenige große Lebensmittelhersteller wie die Firma Müller Milch hätten sich geweigert, die Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen zu boykottieren. Der Ratgeber wird am Mittwoch auf der Grünen Woche in Berlin vorgestellt. Er soll demnächst auch im Internet unter www.greenpeace.de abrufbar sein.

MICHAEL SITTIG