Unfeine Auslese

Ämter weisen nur noch leichter vermittelbaren Arbeitslosen Fortbildungen und ABM zu. Langzeitarbeitslose sind damit in Zukunft abgehängt

„Das ist Einsparpolitik und hat mit Facherwägungen nichts zu tun“

von BARBARA DRIBBUSCH

Der Verein „Baufachfrau Berlin“ war bislang ein ganz normaler Beschäftigungsträger. Einer, bei dem Frauen ohne Berufsausbildung nach langer Arbeitslosigkeit eine ABM fanden und dann Schulgebäude renovierten und Höfe begrünten. Doch damit ist es nun vorbei. „Das Arbeitsamt hat uns gesagt, dass man diese schwer vermittelbare Klientel kaum noch fördert“, sagt Edith Stoll, „die haben die Auswahl vollkommen geändert“. Keiner der vom Verein für dieses Jahr beantragten Maßnahmen wurden bewilligt. In der Arbeitsmarktpolitik kündigt sich eine dramatische Wende an.

Florian Gerster, Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA) und damit Dienstherr aller Arbeitsämter, hat diese Wende schon vor einer Woche bekannt gegeben. Fördermaßnahmen sollten jetzt vor allem solchen Joblosen zugute kommen, die eine „hohe Eingliederungswahrscheinlichkeit“ hätten, sagte Gerster. Das sei bei Leuten mit „kürzerer Arbeitslosigkeit“ eher der Fall.

Während bei den Arbeitsämtern in der Vergangenheit vor allem die Losung galt, sich um die Schwervermittelbaren, die Langzeitarbeitslosen zu kümmern, wird diese Klientel jetzt für AB-Maßnahmen und Weiterbildungskurse eher abgeschrieben. Angesichts der allgemein schlechten Konjunktur und knapper Mittel sei es sinnvoller, den Chancenreicheren zu helfen, als sich um die Langzeitarbeitslosen zu kümmern, erklärt Klaus Pohl, Sprecher des Landesarbeitsamts Berlin-Brandenburg.

In Berlin haben die Arbeitsämter die Beschäftigungsträger schon darüber informiert, dass künftig vor allem Arbeitslosengeldempfänger und kaum noch die länger erwerbslosen Arbeitslosenhilfebezieher in den Genuss von Fördermaßnahmen kommen sollen, berichtet Michael Haberkorn, Geschäftsführer des Berliner Verbands für Arbeit und Ausbildung. Auch werden nur noch AB-Maßnahmen mit einer Dauer von 6 oder 9 Monaten gefördert, damit die dort Beschäftigten anschließend keine neuen Ansprüche auf Arbeitslosengeld haben.

„Das ist in Wirklichkeit Einsparpolitik. Mit fachlichen Erwägungen hat das nichts zu tun“, so Haberkorn. Die Ämter hätten Anweisungen, kaum noch Arbeitslosenhilfebezieher in die vom Arbeitsamt bezahlten AB-Maßnahmen zu bringen, weil die Arbeitslosenhilfe nicht von den Arbeitsämtern, sondern vom Bund bezahlt wird. Wenn Arbeitslosengeldempfänger hingegen vorübergehend in eine ABM kommen, spart das Arbeitsamt während dieser Zeit das Arbeitslosengeld. „Die neue Auswahl richtet sich in der Tendenz gegen die Schwervermittelbaren“, heißt es bei einem Berliner Beschäftigungsträger.

In Berlin und Brandenburg stehen in diesem Jahr 20 Prozent weniger Mittel für ABM und Weiterbildung zu Verfügung. Auch in den anderen Städten wird gespart. Das Arbeitsamt Düsseldorf etwa will 20 bis 30 Prozent weniger Geld für Fördermaßnahmen ausgeben.

Auch die Einschränkungen in der Weiterbildung treffen vor allem schlechter Qualifizierte. 70 Prozent der Teilnehmer an einer Weiterbildung müssen hinterher einen Job gefunden haben, sonst wird der Kurs vom Arbeitsamt nicht mehr gefördert. Diese Vorgabe wird jetzt streng kontrolliert.

Auf einem schwachen Arbeitsmarkt wie etwa im brandenburgischen Neuruppin hat das Konsequenzen. Dort fanden bislang 30 bis 70 Prozent der Teilnehmer einen Job, erklärt Bernd Woelfert vom Arbeitsamt Neuruppin. Heute müsse man strenger auswählen. Woelfert: „Deshalb haben wir heute weniger Kurse und weniger Teilnehmer.“ Die Caritas rügte gestern, die Arbeitsämter förderten nur noch die „starken Arbeitslosen“.