Gegenwind aus Lateinamerika

Bush kann mit dem Treffen der 33 Regierungschefs lateinamerikanischer Staaten nicht ganz zufrieden sein – bei den selbstbewussten Politikern aus Venezuela, Bolivien, Argentinien und Brasilien vermuten die USA Einflüsse aus Kuba

AUS BUENOS AIRES INGO MALCHER

Vielleicht hat sich US-Präsident George W. Bush einfach nur informieren wollen. Als der argentinische Staatschef Néstor Kirchner vor fast zehn Monaten frisch im Amt war, traf er sich mit Bush in Washington. Dort wollte Kirchner den Texaner beruhigen: „Ich bin kein Linker, ich bin Peronist.“

Damals lachte Bush noch. Doch inzwischen muss ihm klar geworden sein, dass die Peronisten seit jeher „antiamerikanische“ Positionen haben. So ist es nicht verwunderlich, dass Bush am Rande des Amerika-Gipfels in Mexiko um eine Privataudienz mit dem Peronisten gebeten hat, um noch einmal nachzufragen. 15 Minuten hatten sich beide füreinander am Dienstag zum Meinungsaustausch reserviert.

Es ist ein wichtiges Gipfeltreffen in der nordmexikanischen Industriestadt Monterrey. 33 Regierungschefs diskutieren mit den USA die politische und wirtschaftliche Agenda des Kontinents. Das Ziel der Bushs-Administration dabei ist, die von ihm geplante Freihandelszone von Alaska bis Feuerland durchzusetzen und seine Kritiker auf dem Kontinent stärker zu isolieren. Doch die lateinamerikanischen Mitte-links-Regierungen aus Argentinien, Brasilien und Venezuela sind dabei, ihr politisches Profil gegenüber den USA zu schärfen und enger untereinander zu kooperieren. In Washington fürchtet man nicht erst seit der Wahl des einstigen Arbeiterführers Luiz Inácio „Lula“ da Silva zum brasilianischen Präsidenten, dass der Kontinent nach links driften könnte.

Schon kurz nachdem Bush vergangene Woche mit Kirchner den Termin in Monterrey vereinbart hatte, begann der Lateinamerikabeauftragter Roger Noriega seine Kritik zu formulieren. Die US-Regierung sei „enttäuscht und besorgt“ hinsichtlich der argentinischen Außenpolitik gegenüber dem sozialistischen Kuba, erklärte er. Die argentinische Regierung hatte vor der UN-Generalversammlung Kuba nicht wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilen wollen. Daraus schließt Noriega: Lateinamerika driftet nach links, unter der Führung Fidel Castros, der nicht nach Monterrey eingeladen war.

In seiner Eröffnungsrede in Monterrey forderte Bush daher auch einen schnellen „demokratischen Übergang“ in Kuba. Aber die Karibikinsel ist nicht seine einzige Sorge. Da ist zum Beispiel in Venezuela Hugo Chávez. Der rüpelhafte Präsident mit der melodiösen Stimme hat sich Castro zum Vorbild genommen und lässt keine Gelegenheit aus, gegen die USA oder den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu wettern, ungeachtet der Tatsache, dass Venezuela der wichtigste Erdöllieferant der USA ist. Kein Wunder also, dass Bush in Caracas gerne einen anderen Präsidenten sitzen sähe. Jetzt fürchtet Chávez, die USA arbeiteten „an einem Komplott, um mich zu stürzen“.

Bushs Lateinamerika-Mann Noriega beschuldigte vorige Woche Chávez denn auch, die kolumbianische Guerilla zu unterstützen. Immerhin ist das eine Gruppe, die in den USA auf dem Index terroristischer Organisationen steht. Doch damit nicht genug. Noriega behauptete zudem, Chávez hätte im Auftrag Fidel Castros an den Aufständen in Bolivien mitgemischt So würde Chávez angeblich den Anführer der Koka-Bauern, Evo Morales, unterstützen.

Morales hatte gemeinsam mit den Gewerkschaften und den Indígena-Organisationen Ende vergangenen Jahres den bolivianischen Präsidenten Gonzalo Sánchez de Losada gestürzt und dabei einiges an Selbstvertrauen zugelegt. Gefragt, was er sich von der Zukunft erwarte, sagte er in einem Zeitungsinterview: „Wenn die USA so weitermachen wie bisher, könnte Lateinamerika ihr zweites Vietnam werden.“