Hoffnung auf Freihandel – und höhere Steuern

Schwere Aufgabe für Guatemalas neuen Präsidenten: Er übernimmt einen Staat mit gigantischer sozialer Ungleichheit

GUATEMALA-STADT taz ■ Der rechtskonservative Unternehmer Oscar Berger, Hobby-Rinderzüchter und Wunschkandidat der guatemaltekischen Geldelite, tritt heute offiziell sein Präsidentenamt an. Auch ausländische Investoren sind froh über Bergers Sieg –einer der Gegenkandidaten war der frühere Militärdiktator Efraín Ríos Montt, der fast schon als Garant für Instabilität galt.

Das Land zu regieren wird für Berger jedoch schwieriger, als den Wahlkampf zu gewinnen. Guatemala steckt seit 2001 in einer tiefen wirtschaftlichen Krise, unter anderem verursacht durch Dürren und den Absturz des Welt-Kaffeepreises. Die Wirtschaft stagniert nahezu, das Außenhandelsdefizit wächst.

Alarmierend ist inzwischen die Tiefe der Kluft zwischen Reich und Arm: Fast die Hälfte aller Einkünfte fließt auf die Konten der zehn Prozent Superreichen. Das Fünftel der Bevölkerung, das in extremer Armut lebt, kann dagegen nur 1,7 Prozent des Gesamteinkommens für sich beanspruchen. Vor allem die Landbevölkerung bleibt außen vor – das ist ausgerechnet der Sektor, dem mehr als 60 Prozent aller Guatemalteken angehören.

Dass Berger die Wirtschaft durch Marktöffnung und Deregulierung ankurbeln will, ist keine Überraschung. Sein größtes handelspolitisches Projekt ist das Freihandels-Abkommen zwischen Zentralamerika und den USA, das die Vorgänger-Regierung auf den Weg gebracht hat und das jetzt zur Ratifizierung und Umsetzung ansteht. Neben dem Abbau von Zollschranken hat Berger weitreichende Schutzgesetze für Investoren versprochen, um Geld und Arbeitsplätze anzuziehen.

Ob der ausgebaute Freihandel aber ausgerechnet den Armen viel nützen wird, ist umstritten. Viele Kleinbauern sehen sich jetzt schon als Verlierer, weil ihre Produkte dann auf einmal mit subventionierten US-Lebensmitteln konkurrieren müssen.

Beobachter wie der Analyst Enrique Álvarez sind trotzdem der Meinung, dass auch die Armen etwas Hoffnung schöpfen können: Sie argumentieren, die Schmerzgrenze der sozialen Ungleichheit sei bereits erreicht. So haben einige Mitglieder aus Bergers Kabinett angedeutet, man wolle versuchen, die Steuersätze der Wohlhabenden wenigstens etwas zu erhöhen. Das sei eine der wenigen Möglichkeiten, um dem Staat die dringend benötigten finanziellen Mittel zu verschaffen. „Bei den anderen ist ja gar nichts mehr zu holen“, meint Álvarez. „Die Steuerdebatte wird Bergers erste Feuerprobe.“

ISABEL GUZMÁN