h.g. hollein Radlertrauma

Die Frau, mit der ich lebe, fährt zuweilen Fahrrad. Das lässt sich von mir nicht sagen. Dafür gibt es natürlich Gründe. Und zwar gute. Einer davon führt weit zurück, in jene etwas sensiblen Jahre zwischen 13 und 16. Da hatte ich ein 26er, froschgrün und mit weißen Handgriffen. In Verbindung mit einem beigefarbenen Blouson, bügelgefalteten Stoffhosen und einer ledernen Aktentasche auf dem Träger sah ich damit aus wie ein Kriminalassistent auf dem allmorgendlichen Weg an seinen nicht allzu aktionsbeladenen Schreibtisch. Die anderen Jungs – und es waren nur Jungs in meiner Klasse – kamen in Parka, Lammfellweste oder, ganz kühn, Jimi-Hendrix-gefranster Lederjacke. Vor allem kamen die anderen mit dem Bus. Und in dem saßen auch die angesagten Mädchen aus den übrigen Gymnasien der Stadt. Derweil ich also gegen Wind und Wetter anstrampelte, wurde in den vorbeifahrenden Vehikeln des öffentlichen Nahverkehrs das eine oder andere angebahnt. Für mich blieben en passant ein paar irritiert-mitleidige Blicke oder – die Schande! – an einer roten Ampel das enthusiasmierte, wenn auch stumme Prusten dreier Grazien von jenseits der Rückbankscheibe. Im Laufe der Zeit erwarb ich mir immerhin einen gewissen Ruf. Nur leider den eines Schulweg-Originals mit entsprechend niedrigem Attraktivitätsquotienten. Als ich mit 16 die 1 Meter 83 erreicht und die 75 Kilo überschritten hatte, fand endlich auch mein Vater: „Du siehst auf dem Rad ja aus wie ein Affe auf dem Schleifstein!“ Daraufhin bekam ich zwar immer noch keinen Parka, aber wenigstens eine Monatskarte für den Bus. Und irgendwann klappte das dann auch mit den Mädchen.