Chefsache Sparen

Behörde will Mangel an Beruflichen Schulen festschreiben und dabei soll es besonders Bildungsgänge für Migranten und lernschwache Schüler treffen

von SANDRA WILSDORF

Jungen Migranten in Arbeit und Ausbildung zu helfen, hat Bürgermeister Ole von Beust (CDU) zur Chefsache erklärt. „Die erfolgreiche Integration von jungen Migranten ins Arbeitsleben ist für die gesellschaftliche und ökonomische Zukunft moderner Großstädte wichtiger als je zuvor“, bemerkte er vor einigen Monaten bei der Vorstellung eines Handlungskonzepts, zu dem sich Kammern, Verbände, Gewerkschaften und Senat verabredet hatten. Das enthält unter anderem vor, in und nach der Schule Sprachförderung, Modellprojekte zur „innovativen Ausbildungsvorbereitung“, eine Ausdehnung des Schulversuchs „Arbeiten und Lernen in Schule und Betrieb“ auf Stadtteile mit hohen Migrantenanteilen und ein neues Beratungs- und Koordinierungsangebot zur beruflichen Integration junger Migranten. Der Senat scheint es ernst zu meinen.

Oder auch nicht, denn nun kommt heraus: Mit weit weniger öffentlichem Tamtam werden die Beruflichen Schulen um 383 Lehrerstellen erleichtert. Dabei soll die duale Ausbildung weitgehend geschont, und dafür überproportional in den Bereichen gekürzt werden, die sich um junge Migranten und lernschwache Schüler kümmern.

So soll beispielsweise das zweijährige Vorbereitungsjahr für Migranten ohne gesicherten Aufenthaltsstatus (VJM) um 45 Prozent gekappt werden, die gleiche Maßnahme für Migranten mit gesichertem Status um 20 Prozent, ebenso wie das Berufsvorbereitungsjahr. Die Erzieherausbildung für Migranten soll ebenso ein Viertel abbauen wie die einjährige Nachqualifizierung Englisch zur Vorbereitung auf die Berufsfachschule.

Nun hatte auch der rot-grüne Senat die Beruflichen Schulen nie mit allen Lehrerstellen ausgestattet, die sie für eine hundertprozentige Unterrichtsversorgung benötigt hätten. Es waren etwa 13 Prozent weniger – was 383 Stellen entspricht. Die Schulleiter bekamen pauschal entsprechend weniger Lehrerstunden zugewiesen und mussten selber sehen, wie sie den Unterricht damit organisierten. Nun wird diese Unterversorgung festgeschrieben und unterschiedlich verteilt.

Mitglieder des MigrantInnenausschusses der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erkennen „deutliche ausländerfeindliche Züge“ in den geplanten Sparmaßnahmen und warnen vor ihren Folgen: Individuelle Hilfe, Beratung und Förderung in kleinen Gruppen werden nicht mehr möglich sein, weshalb die meisten der betroffenen Schüler keinen Abschluss mehr erreichen und die Schule ohne Aussicht auf Ausbildungs- oder qualifizierten Arbeitsplatz verlassen. Perspektivlosigkeit, Ausgrenzung und Frust führten zu sozialen Spannungen und wachsender Gewaltbereitschaft.

Die Behörde erklärt: „Es stimmt, dass es für bestimmte Bildungsgänge eine Verschlechterung gibt“, räumt Achim Meyer auf der Heyde, Leiter des Amtes für berufliche Bildung und Weiterbildung ein, fordert aber den Vergleich mit anderen Bundesländern. So sei das Hamburger Berufsvorbereitungsjahr für Jugendliche mit befristetem Aufenthaltsstatus „einzigartig in der Bundesrepublik“. Und das werde ja auch erhalten. Nur eben schlechter ausgestattet. Tatsächlich würde im Gesamtsystem nichts gekürzt, die Ausstattung bleibe „sehr gut“, nur die Verteilung ändere sich, „und da hat das duale System Priorität“.

Und noch etwas beunruhigt die Schulen: Ausbildungsgänge für Migranten ohne gesicherten Aufenthaltsstatus sollen aus den öffentlichen Schulen ausgegliedert und an freie Träger vergeben werden. Der MigrantInnenausschuss der GEW mahnt: „Gerade für diese jungen Menschen, die in der Mehrheit als unbegleitete junge Flüchtlinge sowieso schon am Rande der Gesellschaft existierten, bietet die Schule Halt und die Möglichkeit einen Schulabschluss zu erlangen, oftmals die einzige Perspektive.“ Meyer auf der Heyde wiegelt ab: „Von solchen Plänen ist mir nichts bekannt.“

Schüler, Lehrer und alle anderen Interessierten sind zu einer Demonstration gegen die Sparpläne aufgerufen: Mittwoch, 5. März, 12 Uhr, U-Bahn Hamburger Straße