In Brandenburg kommt Rot-Rot

Die Frage ist nur: Wann? Es gibt Anzeichen dafür, dass die große Koalition in der nächsten Woche platzt. Wahrscheinlichjedoch rauft man sich noch einmal bis 2004 zusammen. Jörg Schönbohm führt seine CDU in die gesellschaftliche Isolation

von ROBIN ALEXANDER

Bis Mittwoch entscheidet sich, ob die große Koalition in Brandenburg platzt. An diesem Tag fällt die Entscheidung über eine Kommunalreform, die ein wichtiges Projekt der CDU-SPD-Regierung ist, zudem unter direkter Verantwortung von Innensenator und CDU-Chef Jörg Schönbohm. Das ist die Sollbruchstelle. Und für den Bruch ist scheinbar alles vorbereitet.

Schönbohm hat die SPD wieder und wieder gereizt: Zuletzt dachte er laut über Folter nach, wenn Menschen durch Terroristen gefährdet seien, und unterzeichnete einen offenen Brief an den US-Präsidenten, in dem die Bundesregierung außergewöhnlich scharf kritisiert wird. Auch die SPD unter Ministerpräsident Matthias Platzeck tat das ihre: Sie rang der CDU in schmerzhaften Verhandlungen ein Sparliste ab, die sehr deutlich die Handschrift des größeren Koalitionspartnerns trägt. Bezirksvorsitzende und stellvertretende Landesvorsitzende beider Parteien fordern die Spitzenpolitiker der jeweils anderen Seite schon öffentlich zum Rücktritt auf. Die PDS steht zur Ablösung der CDU bereit, ihr Landeschef Ralf Christoffers traf sich bereits Anfang Februar mit Platzeck. Am Dienstag wird es ein Spitzengespräch zwischen Platzeck und Schönbohm geben. All diese Fakten sprechen für ein Ende der Koalition.

Aber es spricht auch viel dagegen. Aus Sicht der CDU: Im Moment ist die Union zwar bundesweit im Umfragehoch. Aber das war sie auch bei der letzten Brandenburger Wahl 1999 – und zog dennoch nicht an der SPD vorbei. Zudem ist Schönbohms seltsamer Kotau vor den USA zwischen Fürstenberg und Finsterwalde noch schwieriger zu vermitteln als überall sonst: Frieden ist in den in Brandenburg besonders stark ausgeprägten DDR-Milieus ein Wert an sich, die atlantisch-konservative Haltung Schönbohms hat hier überhaupt keine gesellschaftiche Basis. Ein von der CDU provozierter Koalitionsbruch entließe die SPD zudem aus der Pflicht, ein dann alternativloses Bündnis mit der PDS zu legitimieren. Aber auch Sozialdemokraten finden Gründe gegen eine Koalitionsbruch: Aus den nun bevorstehenden Sparbeschlüssen möchte man die CDU nicht sofort entlassen.

So arbeiten die zerstrittenen Partner bereit an der Versöhnung. Sozialdemokraten, die sich gerade noch über Schönbohms „Unverschämtheiten“ beschwerten, erklären nun, er habe es sicher nicht so gemeint. Dafür wird immer das Bild vom „unpolitischen General“ bemüht, als sei der frühere Bundeswehrmann Schönbohm noch immer ein nur in die Politik gestolperter Militär. Und der bedient das ihn entlastende Klischee: Den Bush-Brief habe er „nicht mit der gebotenen Sorgfalt“ gelesen, ruderte er zurück. Selbst in der CDU schüttelt man darüber den Kopf.

Nicht einmal die oppositionelle PDS drängt mit vollem Dampf in die Regierung: Im nahen Berlin verlor die regierende PDS in Umfragen mehr als zehn Prozentpunkte. Dort möchten die Genossen erst wieder Boden unter die Füße bekommen, bevor sie eine weitere schwierige Regierungsaufgabe übernehmen. Denn die kommt bestimmt: Die Entfremdung zwischen SPD-Parlamentariern und ihren CDU-Kollegen ist im Potsdamer Landtag offensichtlich. In der SPD geht die Rede von der „gesellschaftlich-authentischen Mehrheit“ Rot-Rot als der „wahren großen Koalition im Osten“. Gewählt wird 2004.