Die Umverteilung des Luxus

Schulverwaltung, Eltern und freie Träger denken darüber nach, wie Bundesmittel für zusätzliche Ganztagsgrundschulen eingesetzt werden sollen. Nicht immer verfolgen sie gleiche Interessen

von MATTHIAS BRAUN

Eine ganztägige Betreuung ihrer Schulkinder, davon träumen vor allem berufstätige Eltern. Der Bund hat zwar 167 Millionen Euro für den Ausbau dieser Unterrichtsform bereitgestellt. Doch den beteiligten Akteuren – der Senatsverwaltung, den Bezirksämtern, den Eltern – steht politischer Streit ins Haus, denn Ganztagsschulen sind ein pädagogisches Luxusgut und das Geld reicht nur für dreißig weitere Einrichtungen. „Solche Angebote erhöhen die Chancengleichheit für gering verdienende Elternhäuser und allein stehende Mütter auf dem Arbeitsmarkt“, ist man sich im Hause von Schulsenator Klaus Böger (SPD) sicher. „Eltern, die arbeiten wollen, sollen das auch tun können“, sagt eine Sprecherin Bögers.

Und so will die Senatsverwaltung die neuen Betreuungsangebote zwar „gleichmäßig über das Stadtgebiet verteilen“, soziale Brennpunkte aber besonders berücksichtigen. „Perspektivisch wollen wir allen Eltern ermöglichen, ihre Kinder ganztägig betreuen zu lassen“, formuliert die Verwaltung ihr langfristiges Ziel. Zurzeit laufen deswegen Gespräche in den Bezirken. Denn welche Schulen in welchem Stadtteil ihr Angebot umstellen, soll an der Basis entschieden werden. „Das Ganze läuft auf Antrag der Schulen“, betont die Senatsverwaltung. Dann will sie prüfen, inwieweit die Gebäude für eine Umstellung geeignet sind. Auch wird die Personalstärke die Entscheidung beeinflussen.

Daran hat der Landeselternausschuss, die Gesamtberliner Elternvertretung, nichts auszusetzen. Wohl aber an dem Plan, ganztägige Betreuung bevorzugt an sozialen Brennpunkten anzubieten. André Schindler vom Landeselternausschuss fürchtet um den guten Ruf des Ganztagskonzepts. „Eine Brennpunktschule wird nicht zu einer guten Schule, wenn man einfach das Türschild austauscht“, meint Schindler. Das Konzept sollte daher nicht von vornherein in problematischen Bezirken aufgebaut werden. Mitte Februar haben die Elternvertreter ihre Position in einen offiziellen Beschluss gegossen. Darin steht auch, dass die 30 Grundschulen so genannte gebundene Ganztagsbetreuung anbieten sollen. Nur so lasse sich das pädagogische Konzept richtig umsetzen, so Schindler. Im Gegensatz zu den offenen Ganztagsschulen sind die Schüler in den gebundenen verpflichtet, bis 16 Uhr anwesend zu sein. Weil unter diesen Umständen Lehrer und Erzieher die Schüler abwechselnd betreuen, können Freizeit und Unterricht besser aufeinander abgestimmt werden.

Doch die gebundene Ganztagsschule stößt auf Widerstand bei den freien Trägern der Jugendhilfe. „Wir hätten Schwierigkeiten damit, wenn sich die Ganztagsschulen negativ auf unsere Arbeit auswirkten“, sagt Martin Hoyer, Referent beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Dieser verdient sein Geld unter anderem mit nachmittäglichen Freizeitangeboten. Schulhorte gehören dazu. Doch die braucht es in gebundenen Ganztagsschulen nicht. „Die Vielfalt der Jugendhilfeträger muss erhalten bleiben“, fordert Hoyer. Wer sich letztlich mit seinen Interessen durchsetzt, bleibt abzuwarten.