Damaskus duldet keine Kritik

Zwölf syrische Oppositionelle werden zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt

DAMASKUS taz ■ Der Gerichtssaal im ersten Stock des Justizpalastes in Damaskus ist überfüllt. Etwa siebzig Leute – Angehörige, Aktivisten, Menschenrechtsvertreter und Diplomaten – drängen sich vor dem Käfig, in dem die Angeklagten auf ihr Urteil warten. Auf einem Stuhl außerhalb des Käfigs sitzt Fida Horani, die einzige weibliche Angeklagte.

Die zwölf syrischen Oppositionellen sehen müde aus, wirken aber gefasst. Seit zehn Monaten sitzen sie im Gefängnis, die ersten Wochen teilweise ohne Kontakt zur Außenwelt. Eigenen Angaben nach wurden sie geschlagen und gezwungen, Geständnisse zu unterschreiben. Ein hoher Preis für das, was sie getan haben. Am 1. Dezember 2007 hatten sich 163 Regimekritiker in der Wohnung des ehemaligen Parlamentsabgeordneten Riad Seif getroffen, um die „Damaszener Erklärung“, eine Plattform oppositioneller Gruppen, neu zu organisieren. Ein spektakuläres Ereignis in einem Land, in dem der Geheimdienst Treffen von mehr als drei Aktivisten normalerweise verhindert. Die Oppositionellen wählten eine neue Führungsspitze mit Fida Horani als Ratspräsidentin, doch anschließend wurden Dutzende Teilnehmer des Treffens und fast der gesamte Vorstand der „Damaszener Erklärung“ verhaftet – unter ihnen die Angeklagten.

Aufmerksam verfolgen sie, wie der Vorsitzende Richter ihre Urteile verliest. Für die „Verbreitung falscher Nachrichten“ und das „Schüren ethnischer und konfessioneller Konflikte“ bekommen die Oppositionellen drei Jahre Haft, die allerdings auf zweieinhalb Jahre reduziert wurden. Die elf Männer fassen sich an den Händen und strecken sie in die Luft, eine Geste des Zusammenhalts. Applaus bricht aus und die Sicherheitsbeamten bemühen sich, den Saal zu räumen.

Vor der Tür diskutieren Prozessbesucher und Anwälte über das Urteil. Die meisten hatten Strafen von bis zu fünf Jahren erwartet. Haitham al-Maleh, ein Menschenrechtsanwalt, macht den Druck aus Europa für das Strafmaß verantwortlich. Nachdem sich das Verhältnis zum Westen entspannt habe, kämen fast wöchentlich europäische Politiker nach Damaskus, die auf die Lage der politischen Gefangenen hinwiesen, meint Maleh. Ahmad Qurabi, der Vorsitzende der Nationalen Menschenrechtsorganisation in Syrien, sieht das anders. Er kritisiert das mangelnde Interesse des Westens an der innenpolitischen Lage in Syrien. In Gesprächen mit syrischen Entscheidungsträgern gehe es europäischen Vertretern fast ausschließlich um regionale Themen, bemängelt Qurabi.

Einer, der auch nach acht Jahren Gefängnis nicht schweigen will, ist Aref Dalila. Er ist erst vor zwei Monaten aus der Haft entlassen worden, jetzt steht er vor dem Gerichtssaal. Während des „Damaszener Frühlings“ in den Jahren 2000 und 2001 war Dalila einer der charismatischsten syrischen Regimekritiker, heute wirkt der Wirtschaftsprofessor müde. „Solche Verurteilungen müssen aufhören“, sagt er mit ruhiger Stimme. „Wir äußern unsere Meinung öffentlich und friedlich, wir wollen einen Dialog, der zu Veränderungen führt“, erklärt Dalila. Doch genau das versuche das Regime zu verhindern, aus Angst, mehr Meinungsfreiheit könne zu mehr Protesten führen und am Ende das ganze Volk mobilisieren, so der Regimekritiker.

KRISTIN HELBERG